Weimarer Republik


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(J. Goldhagen,

Die Dolchstoßlegende


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Schlußbetrachtung

Die Protokolle des Zweiten Unterausschusses zeigen, daß Helfferich mit den Dolchstoßinhalten in erster Linie auf die demokratischen Abgeordneten des alten und neuen Reichstags abzielte, um diese für den verlorenen Krieg verantwortlich zu machen. Erst Hindenburg und Ludendorff wählten die ganz pauschale Dolchstoß-Verleumdung gegen die "Heimat" und ließen dabei offen, wen sie konkret meinten. Die Entschließungen des Vierten Unterausschusses weisen die pauschale Dolchstoßbehauptung mehrheitlich zurück. Lediglich die Sachverständigen Kuhn und Volkmann halten die Vorwürfe zumindest für die revolutionäre Linke für gerechtfertigt. Aus den Minderheitsentschließungen geht hervor, daß man den Krieg, als auch sein Ende, vor dem Hintergrund der gravierenden sozialen Zerrissenheit der bürgerlichen Gesellschaft des Kaiserreichs sehen muß. Die Zeitungsberichte belegen, daß diese Zerrissenheit auch nach 1918 in der Demokratie nicht überwunden war. Diejenigen, die sich mit dem alten System weiterhin identifizierten und autoritäre Machtstrukturen bevorzugten, vertraten unbeirrt die Dolchstoßlegende als Kampfmittel gegen die Anhänger der Demokratie. Viele hielten die Legende für die historische Wahrheit, weil sie der Mythos "Hindenburg" selbst öffentlich vor dem Untersuchungsausschuß behauptet hatte, hingegen die Widerlegung weniger spektakulär war. Wie sehr die Dolchstoßlegende Teil eines Lügengewebes zur Verteidigung der alten Machteliten, vertreten durch die DNVP, waren, belegt Annelise Thimme. Petzold hingegen verlegt sich mehr auf die Beweisführung, daß der allgemeine Antibolschewismus der Bourgeoisie eine wirkungsvolle Widerlegung der Dolchstoßbehauptung während der Weimarer Republik verhindert habe. Alle zitierten Autoren der Nachkriegszeit - mit Ausnahme Erdmanns - sehen in der Dolchstoßlegende einen Grund für das Ende Weimars und die propagandistische Vorbereitung für den Revanchekrieg. Somit wurde die Dolchstoßlüge zur Grundlage deutscher Politik. Wie die Legende konkret wirkte, zeigen die Fememorde, die politischen Morde an Politikern sowie die Verleumdungs-prozesse. Das einzige, was in der gesamten wissenschaftlichen Diskussion der Dolchstoßlegende nicht ausreichend behandelt scheint, sind ihre konspirativen Inhalte. Auch Daniel J. Goldhagens Werk: "Hitlers willige Vollstrecker", gibt nur beiläufig einen Hinweis auf den Zusammenhang von Dolchstoßlegende und Holocaust . Die konspirativen Inhalte der Legende haben offenbar wesentlich dazu beigetragen, daß die politischen Gegner ab 1933 systematisch ausgeschaltet und vernichtet wurden, und der Holocaust ohne nennenswerten Widerspruch der Deutschen blieb.

Goldhagen verweist auf Ludwig Lewisohn: "Die Revolte gegen die Zivilisation" und führt aus:
"Unter anderem wies er auf die 'Dolchstoßlegende', die den Juden die Schuld an der Niederlage im Ersten Weltkrieg zuschrieb: (...) Angesichts dieser und anderer Wahnvorstellungen fragt er, wie es die Deutschen denn ertragen könnten, solche Menschen unter sich zu dulden. Und er gelangt zu dem Schluß: 'Die ganze Angelegenheit wäre nicht mehr als eine gespenstische Farce, wenn sie nicht eine so große Gefahr für die menschliche Zivilisation darstellen würde (...). Denn heute [1934] ist es offensichtlich, daß sie diesen Mythen entsprechend handeln werden. Sie haben bereits damit begonnen.'" (J.Goldhagen, Hitlers willige Vollstrecker, S.157f.)

benutzte Literatur