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Staatspolitische Arbeitsgemeinschaft der Deutschnationalen Volkspartei

Quelle: Bundesarchiv Potsdam, Bestandssignatur (DNVP), R 8005/327 S. 33-38 (R)
(Abschrift. Hervorhebungen im Text und Erläuterungen in eckigen Klammern wurden von mir eingefügt)

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17. Arbeitsabend.
Freitag, den 27. Juni 1919 (Fortsetzung)

Thema: Stellung der Deutschnationalen Volkspartei zum Judentum

"Kommentar zur Quelle Teil 2

Pastor Gutjahr: Wir sind in einer so schwierigen Lage den Juden gegenüber und müssen bedenken, die Juden waren als Sklavenvolk in unserer Mitte und das Herrenvolk und wir haben die Sklaven arbeiten lassen für uns. Das haben wir so gründlich getan, daß sie uns über den Kopf gestiegen sind. Daraus entnehme ich die Hoffnung, daß wir lernen und nun Positives schaffen werden. Ich bin dafür, daß wir uns wieder auf einen deutschen Geist besinnen, wie es Herr Pfarrer Traub angeführt hat. Ich weiß, daß es eine große Macht ist, wenn der Palestinastaat entsteht. Wir hätten dann allerdings die Möglichkeit, solche unlauteren jüdischen Elemente als lästige Ausländer nach dort abzuschieben. Ich würde das für förderlich halten.

Frau v. Bieberstein: Ich wollte fragen, ob es interessiert, einen kurzen Bericht über eine Versammlung des Vereins "deutscher Staatsbürger jüdischen Glauben" zu hören, der beizuwohnen, ich Gelegenheit hatte, in der der Abgeordnete Davidsohn einen in den Zeitungen angekündigten Vortrag: "Ist Deutschland antisemitisch?" gehalten hat. Davidsohn wollte seine Themafrage von drei Gesichtspunkten aus beleuchten: vom nationalen, vom religiösen und vom wirtschaftlichen Standpunkt. Die ersten beiden Fragen waren ihm zu kitzlich, so blieb er bei der dritten und geriet bald auf eine Beschimpfung aller rechtsstehenden Parteien. Rednerin schilderte sodann die Gegensätze innerhalb der Juden. Einig seien sie auch nicht. In wirtschaftlicher Hinsicht, so wurde an jenem Abend ausgeführt, wäre Deutschlands ganze Großmachtstellung in der Welt nicht möglich gewesen ohne die Juden. Die Deutschnationale Volkspartei sollte betonen, daß sie nicht antisemitisch ist. Es wäre besser gewesen, die antisemitische Gruppe wäre ganz für sich allein geblieben. Die guten Elemente unter den Juden könnten der Partei viel Nutzen bringen.

Redakteur Bucher: Wenn ich heute Abend als festgelegter Antisemit, als Vorsitzender der hiesigen Ortsgruppe des Hammerbundes spreche, so erwarten Sie von mir keine antisemitische Radaurede, auch nicht im Stile des Briefes aus der Staatsbürgerzeitung. Diese Leute lehnen wir ab. Wir verstehen unter Antisemiten solche Leute, die praktisch etwas erreichen wollen. Wie Luther in der Bekehrung zum Christentum darüber hinauskommen wollte zu einem neuen Menschentum, so wollen wir im Antisemitismus hinauskommen zu einem wahren Deutschtum. Bei den Ausführungen des Herrn von Oppeln-Bronikowski begegnen wir dem wiederholten Hinweis auf die Tüchtigkeit der Juden. Der Führer der Christlichsozialen in Österreich, Lueger, pflegte zu sagen: "Wenn ihr die Juden nicht wollt, dann schimpft nicht auf sie, sondern werdet tüchtiger als sie." Und er selber hat wahrlich den beweis gegeben, daß der Deutsche tüchtiger sein kann, als der Jude. Die Erziehung des Judentums zu einem ehrlichen und anständigen Geschäftsgebaren ist dem Antisemitismus zuzuschreiben. Darin ist auch die zukünftige Arbeit des Antisemitismus zu erblicken. Es wird oft gefragt nach der Stellung des Antisemitismus zum Zionismus. Das wir den Zionismus unterstützen, ist selbstverständlich; aber wir überschätzen ihn nicht. Tüchtiger werden wie die Juden, das ist das eine. D. Traub hat neulich hier ausgeführt, was wir erstreben, sei die Schließung der Ostgrenzen. Damit stimmen wir mit den westlich gerichteten Juden überein, wir freilich aus einem anderen Grunde als jene. Wir wissen heute, daß die Kraftquellen des Judentums das Ostjudentum ist, das sagen ja die Juden selbst. Bei der Frage: wer ist Jude? Kann man sich nur auf den Rassestandpunkt stellen. Vorhin ist gesagt worden, daß die konservative Partei eigentlich nicht antisemitisch sein könne, weil der Jude Stahl ihr Programm gemacht habe. Der große Gedanke in der Staatslehre ist ja der, daß der liberale Gedanke nicht die Reaktion gegen die Überspannung des Konservatismus ist, sondern umgekehrt. Der Staat ist nicht des Königtums wegen da, sondern das Königtum des Staates wegen. Es ist wohl so etwas Renegateneinschuß bei Stahl, der alles auf die Spitze treibt. Die wildesten Antisemiten waren oft Juden oder Halbjuden, Justus und Max Ber[g]er u.a. Man soll nicht alle Juden als Betrüger bezeichnen. In Art der Aufklärung des Volkes, was der Jude in Wirklichkeit ist, in der Erziehung zur sittlichen, nationalleidenschaftlich durchdrungenen Persönlichkeit sehen wir Antisemiten das Ziel zur Überwindung des Judentums.

Herr v. Raumer: Ich bin Industrieller und spreche als solcher zu Ihnen. Eine Pogromstimmung gibt es in Deutschland nicht. Das große Judentum, die großen führenden Industriellen in Deutschland werden jetzt die Aufgabe haben, und vielleicht allein die Aufgabe lösen können, die Verbindung mit dem Ausland wieder anzuknüpfen. Wer von Ihnen im Wirtschaftsleben steht, und die ungeheure Trostlosigkeit sieht, die sich auftut, der wird sich sagen, wie außerordentlich schwierig es ist, die großen Wirtschaftsbeziehungen wieder anzuknüpfen. Ich habe Gelegenheit, mit den großen, führenden Klassen des Judentums Handelsbeziehungen zu pflegen und Geschäfte mit ihnen zu machen und da möchte sagen, ich möchte warnen, Juden und Judentum als ein anzusehen. Ebenso wenig wie ich einen Deutschnationalen und einen Spartakisten in einen Topf werfe. Das große kultivierte und auf Gedeih und Verderben mit unserem Lande verbundene Judentum denkt genau so national wie wir alle und ich glaube, daß, wenn die wertvollsten Elemente aus diesen Kreisen die Möglichkeit hätten, einen Anschluß nach rechts gewinnen zu können, das höchst wertvoll sein würde. Es ist gesagt worden, daß dem Eintritt des Juden in die Deutschnationale Volkspartei nichts im Wege stände. Es war aber so ausgedrückt, als ob dies erst geschehen könnte, in dem Augenblick, wo er aufhört. Sich als Jude zu fühlen. Nun muß ich sagen, daß mir immer die Juden am besten gefallen haben, die wirklich Juden waren. Die Juden haben den größten wirtschaftlichen Unternehmensgeist. Auf der anderen Seite allerdings die übelsten Ausarten einer geknechteten Rasse. Ich bin aber der Meinung, daß man zwischen den Menschen scheiden muß, sie können nicht eine ganze Klasse ausweisen, weil teile ihnen nicht passen, dann würden wir ja auch in der Auswahl unserer christlichen Teilnehmer beengt sein. Ich bin aber der Meinung, daß es nicht geht, daß die Juden in eine Partei hineinkommen können, bei der sie, ehe sie hineinkommen, sich erst selbst verleugnen müssen. Für die Juden, die unter Aufopferung ihres Gefühls kommen, für die würde ich danken. Meine Herren, es ist gesprochen worden überhaupt von Antisemitismus und seinen Zielen. Ich stamme aus dem Wirtschaftsleben und muß sagen, wenn man Konkurrenz hat, muß man besseres leisten, und wir haben die Kreise aus denen wir Nutzen ziehen können. Der Offizierstand und das Beamtentum haben alle Intelligenz aus ihren Kreisen aufgesogen. (Generalstab.) Diese ganzen Kräfte liegen jetzt unausgenutzt da. Sie liegen auf der Straße, es ist trostlos. Ich bekomme jeden Tag Anfragen ob, ich sie nicht unterbringen könnte. Ich bin überzeugt, daß mit dem Augenblick, wo diejenigen Kreise sich entschließen, zu unserem Wirtschaftsleben überzugehen, wir Verhältnisse bekommen werden, die sich den englischen Verhältnissen annähern werden. Aber auch da würde natürlich der der wirtschaftliche Einfluß und die wirtschaftliche macht ungemein leiden, wenn diejenigen Kräfte, die da hineinkommen möchten, antisemitisch gesinnt wären. Wenn ich jüdischer Geschäftsmann wäre, würde ich auch nicht Antisemiten einstellen. Und nun die Frage: Warum ist der Jude im Wirtschaftsleben überlegen? Das liegt daran, daß er es versteht, sich zu objektivieren. Seine Persönlichkeit verschwindet vor der Aufgabe. Seine Person setzt er hinten an. Ich habe den Eindruck, was uns in der Deutschnationalen Volkspartei überhaupt fehlt: Wir haben mit dem Wirtschaftsleben gar keine Fühlung. Wir stehen in Fühlung mit der Landwirtschaft, aber mit der Industrie und dem Handel hat die Partei sehr wenig Fühlung. In der Schwerindustrie haben Sie kaum Herren in der Partei. Ich habe den Eindruck, daß diese Partei überhaupt nur dann vorwärts kommt, wenn sie sich in sehr viel stärkerem maße zusammen tut mit führenden Leuten der Wirtschaft, und zwar schon darum, weil keine Partei leben kann ohne Geld. Ich habe, las der Wahlkampf begann, mit der Leitung der Partei versucht, die Geldfrage zu lösen. Ich habe gesagt, ohne die Industrie bekommen sie kein Geld und ohne Geld keine Agitation. Ich will nicht sagen, wir wollen mit der Industrie anknüpfen, nur darum, um Geld zu bekommen, ich möchte nur sagen, wir leben in einer Zeit der Demonstration für unsere Partei. Die Demonstration ist nötig, sie wird sich nie wieder beseitigen lassen. Mag auch, was man im alten Sinne Reaktion nannte, kommen, wir werden sie immer weiter haben. Ich bin der Meinung, man kann die Partei nur modern gestalten, wenn man den Antisemitismus über Bord wirft, das Wort Antisemitismus überhaupt nicht in Erscheinung treten lässt und wenn man aus dem Volke sämtliche Elemente ohne Unterschied der Konfession in die Partei hineinnimmt.

Herr v. Hassel weist darauf hin, daß mit Recht hervorgehoben worden sei, welche hervorragenden Leistungen die Juden auf zahlreichen Gebieten aufzuweisen hätten, daß aber auf der anderen Seite die Juden das Allerhöchste nur in den seltensten Fällen erreichen. Die höchsten Geisteshelden und ebenso auch die gewaltigsten Industriekönige seien sehr selten Juden gewesen. Er bittet dann in der folgenden Erörterung, vor allem auch der praktischen Politik Aufmerksamkeit zuzuwenden, und zwar der Parteipolitik: wenn man darüber einig sei, daß der Antisemitismus in seiner üblichen Bedeutung abzulehnen sei, dann erwachse die Aufgabe, wie man nun der Masse, deren Stimmung bekannt sei, verständlich macht, wogegen der Kampf geht und worum es sich dabei handelt, daß also nicht das Judentum als Ganzes und solches, sondern ein bestimmter Geist bekämpft werden muß.

Herr Becker-Hamburg spricht über Düringersche Schriften und behandelt die Judenfrage als Frage der Rassenschädlichkeit für die Existenz der Völker und kommt zu dem Ergebnis, daß es in erster Linie eine geistige Frage ist.

Herr v. Hassel meint, daß solche Gedankengänge wohl nur für die gebildeten Schichten auswertbar seien; bei der Masse kommen wir damit nicht durch. Bei der Parteiarbeit ergibt sich praktisch die große Schwierigkeit: Wie übersetzen wir die Sprache, wie sie in diesem Zimmer gesprochen wird, in die praktische Wirksamkeit.

Professor Bucherer ist über die Ausführungen des Herrn v. Oppeln enttäuscht. Er macht kurze Vorschläge, was wir tun wollen, und sagt: Ich stehe auf dem Standpunkt, ich erkenne an, es gibt sehr anständige Juden, die viel geleistet haben, aber ich stehe auf dem Standpunkt, daß das deutsche Volk die Juden nicht braucht, und wir alles ohne Juden hätten leisten können. Ich mach den Vorschlag, wir nehmen ruhig Juden in unsere Partei auf, aber wir müssen ihnen sagen, wir erkennen an, daß sie zu unserer Partei gehören, aber wir müssen ihnen auch mitteilen, daß unser Kampf in erster Linie gegen den jüdischen Geist geht. Bei Judenaufnahme möchte ich die Einschränkung machen, daß sie nicht in leitende Stellungen kommen dürfen.

Fräulein Wolff. Den Kampf gegen das Judentum kann man führen in drei Richtungen: man kann erstens die Religion bekämpfen. Das hat das Mittelalter getan, unsere Zeit bekämpft nicht mehr die jüdische Religion als solche, und die meisten Antisemiten wünschen gar nicht, daß die Juden sich taufen lassen. Dann kann man zweitens die Rasse bekämpfen. Das ist es - wenn es auch häufig nicht ganz zugegeben wird - was heute die Mehrzahl tut, und was den Kampf so fruchtlos macht. Man kann eine Rasse nicht bekämpfen, man müsste sie dann ausrotten. Das ist etwas gänzlich unfruchtbares und daher auch für die Deutschen schädlich. Und drittens kann man den Kampf führen gegen den jüdischen Geist und das ist es, was wir darunter verstehen, den Kampf, wie ihn in erster Linie die Deutschnationalen tun müssen. Nun müssten wir aber auf die rechten Mittel der Agitation kommen und den Kampf so führen, daß er nicht gegen die Rasse geführt erscheint, sondern gegen den Geist. Das ist in den Versammlungen, in denen antisemitische Reden gefallen sind, nur selten gelten, geschehen. Es ist nicht genug gesprochen worden gegen den jüdischen Geist, der doch so viel Schuld trägt an dem heutigen Zustand. Keiner von uns wird leugnen wollen, daß den jüdischen Geist hierin schwere Schuld trifft. Aber der Kampf ist dann nicht nur fruchtlos, sondern schadet ungeheuer. Er schadet unserer Partei und er schadet Deutschland. Als Bundesgenossen zum Kampf gegen den jüdischen Geist lassen Sie uns die besten unter den Juden herausfinden. Es gibt Juden, Semiten, die sich innerlich in ihrer Weltanschauung grundlegend vom jüdischen Geist unterscheiden. Mein Großvater war der erste Reichstagspräsident von Simson und von ihm bin ich erfüllt worden mit dem deutschnationalen Geist, der bereit ist, alles daranzusetzen. Er ist nicht der einzige Semit gewesen, der so dachte; viele unter ihnen sind erfüllt von demselben Geist. Nur durch sie können wir den jüdischen Geist wirkungsvoll bekämpfen, nicht durch einen lokalen Boykott jüdischer Geschäfte. Wer von den Semiten deutschnationalen Geist in sich hat, soll mitkämpfen. Natürlich kann man ihnen nicht sagen, ihr dürft nicht an die erste Stelle. Wir müssen nur immer wieder, besonders auch gegen die Arbeiterschaft, betonen und beweisen: Wir sind die stärksten Vorkämpfer gegen den jüdischen Geist.

Herr v. Hassel: Ich glaube nach allem, wir sind einig, daß wir den jüdischen Geist bekämpfen wollen, den wir nicht identifizieren können mit dem Judentum als Ganzes. Wir müssen versuchen, uns selbst unser deutsches Wesen zu stärken in diesem Kampf und versuchen, alle irgendwie wertvollen Elemente für diesen Kampf nutzbar zu machen. Wir nehmen die Juden in die Partei auf, erkennen aber andererseits einen Anspruch, daß sie auch dann gewissermaßen in den Parteiorganisationen als solche vertreten sein müssen, nicht an, schon deshalb nicht, weil wir das Judentum nicht als Korporation betrachten können. Wir müssen dann vor allem versuchen, die Massen aufzuklären. Ich hoffe im Sine der Ausführungen des Fräulein Wolff, daß wir bei zäher Arbeit hierin erfolgreich sein werden.

Ende der Quelle.

Literaturhinweise