Weimarer Republik


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Albrecht v. Graefe

Erläuterungen zur Sitzung Nr. 112,
1. Legislaturperiode


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Redewendungen und Anspielungen in der Rede v. Graefes:

"Das deutsche Volk, auch das von Dan bis Bersaba…" Gemeint sind "die" Deutschen und die deutschen Juden. (S. 108, 2. Spalte)

Bezüglich Rathenau und die ihm "zu Gebote stehende Dialektik": Diese Äußerung hat zum Inhalt, daß "die" Juden eine ihnen eigentümliche Dialektik, also verwirrende Betrachtungsweise der Dinge hätten. Antisemiten gebrauchten auch die Wendung "jüdische Dialektik". Es bedeutet so viel wie, dem "Volk" ein "x" für ein "u" vormachen wollen, um durch Stiftung allgemeiner Verwirrung unbemerkt seine Schäfchen ins Trockene zu bringen. Burlage (Zentrumspartei) (S.110, 2. Spalte) belegt dies durch ein Zitat aus der "Süddeutschen Zeitung", damals ein weit rechts stehendes Blatt. Hier wird behauptet, daß die Revolution von 1918 nur der Selbstbereicherung der Revolutionäre gedient habe. Oder wie es die Antisemiten darstellten: Die von Juden angezettelte Revolution habe das Dt. Reich wehrlosgemacht, um im Zusammenwirken mit den Siegermächten (Entente) das dt. Volk auszuplündern. Stichwort: Expropriation. Der Entzug des Eigentums.

"…die besondere Zusammensetzung des Kabinetts…" (S.108, Spalte 2 unten) Gemeint sind außer Walther Rathenau auch Friedrich Rosen (ehemals kaiserl. Gesandter in Jerusalem), Georg Gradnauer und Eugen Schiffer (zum Protestantismus konvertiert). Durch den "Anblick" dieses Kabinetts wollte v. Graefe die "Vorherrschaft des Judentums" allein im Kabinett belegen, um so dem "Volk draußen" klar zu machen, warum die Dinge so katastrophal für Deutschlands Politik verlaufe. Er wollte mit Blick auf das "verjudete" Kabinett dem "dt. Volk" verdeutlichen, bei wem sie sich für das Elend und für die Not, die noch bevorstehe, bedanken dürften.

Dies sind Anreicherungen des Ressentiments, die angetan sind, nachzufragen, warum nach 1945 so wenige "etwas gewußt haben wollten". Es ist die Verstrickung in die Tat durch Wegsehen. Wegsehen deshalb, weil man durch solche Reden in der Ansicht bestärkt wurde, "daß an den Juden schon irgendwas dran sei". Um die Wirkung solcher Reden zu erfassen, muß man sich die katastrophale Lage weiter Teile der Bevölkerung nach dem Krieg vor Augen stellen. Die Deutschnationalen wußten, welchen Acker sie da bestellten. Antisemitische Sozialdemagogie zielte darauf ab, den Sozialdemokraten und Kommunisten das Wasser abzugraben und es auf die Mühlen der Deutschnationalen zu lenken. So zumindest das Kalkül des konservativen Parteivorstands und seiner Honoratoren. Denn antisemitische Ressentiments waren nicht nur bei den Rechten vorhanden, sondern gingen darüber weit hinaus bis in die Wählerschaft der SPD. Gerade diese Schichten sollten mittels Antisemitismus "umerzogen" werden.

Was insgesamt von der Hetzrede v. Graefes zu halten ist und was die Konservativen innerhalb der DNVP damit bezwecken wollten wird klar und deutlich von den nachfolgenden Rednern aus SPD, Zentrum und USPD dargelegt.

Literaturhinweise