1. Reichstag, Weimarer Republik


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Wilhelm Bruhn (DNVP)
Georg Gothein(DDP)
Wilhelm Bartz (KPD)

Weitere Stichworte:
Schwarzmarkt "Schieber" "Kriegsgewinnler"
Deutsche Werke AG Rüstungsindustrie
Deutsche Werke AGReichseigentum

Erläuterungen zur Sitzung Nr. 77, 1. Legislaturperiode

In dieser Sitzung geht es um Antisemitismus in der Form, wie sie die Honoratioren der Deutschnationalen Volkspartei bevorzugten. Der Abgeordnete Bruhn lag mit seiner Art, antisemitische Ressentements zu fördern und zu bedienen ganz auf der Linie der Parteiführung. Seine Methode: das Stigmatisieren jüdischer Familien- und Vornamen, indem er diese als die "Kriegsgewinnler und die "Schieber", als die eigentlichen Nutznießer der Kriegs- und Nachkriegszeit, die sich zu Lasten des Gemeinwohls bereicherten, darstellt. Diese Form des im Parlament vorgetragenen Antisemitismus wird von den Rednern der übrigen Parteien kritisiert, als ein selektives Vorgehen, das die übrigen Schuldigen "deutscher" Herkunft ausschließe, um so den Eindruck zu erwecken, als käme alles wirtschaftliche und soziale Übel von den Juden bzw. Ostjuden. (Stichwort "Galizien"). Das Juden deutscher oder auch galizischer Herkunft sich an Geschäften beteiligten, die der Führung oder auch Liquidierung von Kriegsgesellschaften diente, und vermutlich dabei auch reich wurden, wird dabei von opositionellen Rednern der Linken nicht in Abrede gestellt (Abg.Bartz, Kapitalismuskritik). Gothein hingegen verweist auf einen Untersuchungsausschuß, der sogar das korrekte Arbeiten der "jüdischen" Firmen im Falle Deutsche Werke bestätigte.
Das Ziel, das die DNVP mit solchen Rednern verfolgte, war, das Ablenken sozialer, gesellschaftlicher Frustration, wie sie in den Krisenjahren der Weimarer Republik in weiten Kreisen vorhanden war, auf eine ethnische Minderheit. Um dann auch bei anderen Gelegenheiten mit dem so angereicherten Antisemitismus die sozialistischen Parteien, die DDP und den linken Flügel der Zentrumspartei zu belasten, da diese angeblich die Protegés dieser jüdischen "Kriegsgewinnler" seien. Hinter dieser Demagogie steckt der Klassenkampf von oben, oder wie der Abg. Breitscheid sagte: Die Absicht, den "Klassenkampf in einen Rassenkampf umzuwandeln", um durch das Schaffen eines falschen Feindbildes selber bei seinen Geschäften unbehelligt zu bleiben.

Hierzu auch die Sitzungen Nr. 78.

Literaturhinweise