1. Reichstag, Weimarer Republik


Zurück zur Titelseite oder Zurück zur Homepage


Seite 112

A B

darüber, das ist bezeichnend für Ihre Gemütsruhe, die Sie besitzen. - Herr Saenger wurde halb totgeschlagen. Es ist diesen Tätern kein Haar gekrümmt worden. Es kam der Schuß auf Gareis, und auch jetzt wird man diesen Tätern kein Haar krümmen. In der bürgerlichen Presse wurde sogar behauptet, die Kommunisten hätten ihn ermordet oder der Mord entspringe Motiven wie Eifersucht, nur um das Augenmerk der Öffentlichkeit in die falsche Richtung zu lenken. Gegen den Versammlungs- und Straßenterror, den wir in Bayern erleben, haben sich selbst Verbände gewandt, die keineswegs sozialistisch sind, die in einer Eingabe an die Regierung die Frage stellten, was der Polizeipräsident gedenke zu tun,

"um die unerhörten Ordnungsstörungen und Gewalttaten in München abzustellen, durch welche ein mehr oder minder anonymes politisches Rowdytum die Versammlungsfreiheit unterbindet, Leben und Gesundheit der auftretenden Redner schädigt und die bayrische Hauptstadt als ungestörte Freistätte aller Verrohungen und Sittenverwilderungen in Verruf bringt?"

(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Nun hat ja der Polizeipräsident seinerseits zur Hebung der guten Sitten in Bayern aufgerufen und prompt unsere Zeitung "Der Kampf" beschlagnahmen lassen. Zunächst ließ er sie unter Vorzensur stellen und nun hat er sie sogar dauernd verboten, weil in einer Überschrift gestanden hat: Polizeipräsident Böhner lebt noch! Darin fand Böhner eine verdeckte Aufforderung zum Mord. Auf einmal hatte Böhner ein sehr feines Gefühl für die Aufforderung zum Mord. In der Notiz hieß es: Böhner lebt! Heute früh erschien bei uns ein Kriminalbeamter des Herrn Böhner und Beschlagnahmte unser gestriges Extrablatt.

(Zuruf rechts: Hier in dieser Nummer steht noch viel mehr drin! - Gegenrufe auf der äußersten Linken. - Große Unruhe.)

Eine solche Überschrift soll man nicht schreiben dürfen. Das wird doch noch erlaubt sein. Ich werde Ihnen einmal den "Miesbacher Anzeiger" zitieren.

(Andauernde Unterhaltung und Unruhe vor der Rednertribüne. - Glocke des Präsidenten.)

Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Unterleitner! Ich bitte um Ruhe!

Unterleitner, Abgeordneter, Interpellant: Meine Damen und Herren! Wir wollen uns einmal mit Blättern beschäftigen, die der Herr Böhner nicht beschlagnahmt, da heißt es in der Nummer vom 29. Mai des "Völkischen Beobachter" unter anderem von der "Schieber- und Gaunerrepublik" in einem Artikel, der überschrieben ist: "Ebert der Siegreiche": "Schieber- und Gaunerrepublik", Rucksackrepublik", "die internationalen jüdischen Lumpen", "viehischer Sumpfsinn", der deutsche Regierungs- und Parteijude", "Dreckjude", "die wanzenhafte Aufdringlichkeit der Berliner", "die Reichstagsabgeordneten sind Diätenhamsterer des Berliner Parlaments", "das jüdische Rattennest",

(große Heiterkeit)

"Berliner Judenregierung". Zum Schluß kommt dann noch für Herrn Ebert eine schöne Notiz. Der Artikel befaßt sich mit Oberschlesien, und da heißt es:


vorige

Bei seiner siegreichen Rückkehr - - wenn die Truppen jetzt zurückkommen - wird ihm der Großrabbi von Jerusalem sicherlich den Hosenpopoorden des goldenen Davidsterns überreichen.
Das ist die feine Sprache, die der "Völkische Beobachter" hat.

(Zuruf von der Deutschen Volkspartei: Ist verboten!)

- Das ist nicht verboten. Von dem "Völkischen Beobachter" wurde zwar eine Nummer beschlagnahmt, aber die Studenten haben sie doch auf der Straße verteilt! Die englische Regierung wird als eine jüdische Preßbanditengesellschaft tituliert, die deutsche Regierung als Reichsverbrecher. In einer anderen Ausgabe kommt der "Vorwärts" dran und man spricht vom "Berliner Saujudenblatt Vorwärts", "so ein Judengesindel", diese fremdländischen Halunken"; und dann heißt es zum Schluß:

Anstatt nun die einzig richtige Folgerung daraus zu ziehen und darauf hinzuweisen, daß dieses Judengesindel in seiner Frechheit allmählich so weit geht, daß bald nichts anderes mehr übrig bleiben wird, als diesen fremdländischen Halunken gegenüber zur Selbsthilfe zu schreiten, daß zu tun, was nach einer anderen Meldung der "Post" Angehörige des "Freikorps Oberland" bereits taten, nämlich so eine orientalische Tinten- und Dreckschleuder aus ihrem Loch herauszuziehen und durchzuprügeln, bis dem Kerle Deutschland nunmehr als Fata Morgana erscheint.

Das sind Stilblüten, die sich in Bayern natürlich des Wohlwollens des Herrn Polizeipräsidenten Böhner erfreuen. Die maßlose Hetze gegen die Reichsregierung sieht Herr Böhner ebenfalls nicht. Und vielleicht möchten Sie sich noch notieren, was der "Miesbacher Anzeiger" geschrieben hat! Der bezeichnet die Regierung als "Regierungsbordell" und Herrn Erzberger als "die politische Erzhure von Buttenhausen" ein anders Mal nennt man ihn einen "Lumpenhund". Der Artikel schließt mit der Ankündigung der "nationalen Revolution", die gemacht werden müsse. Herr Böhner ließt diese Dinge nicht.

(Zuruf von der Bayrischen Volkspartei: Erscheint nicht in München! - Heiterkeit und Zurufe von den Vereinigten Kommunisten.)

In einer anderen Nummer wird von den "Saujuden" und "Havelschlawinern" gesprochen. Danach kommt direkt die Aufforderung zum Mord, in dem es heiß - und das muß hier im Stenogramm des Reichstags festgehalten werden -:

Ochselfiesel gibt's no grad g'nua, das Messerwetzen wird net gut zu verhindern sein, und wenn Säu g'stoch'n wern, hat sich bei uns alleweil schon alles g'freut.
Dann wird gegen die "Münchener Post" polemisiert und unter anderem davon gesprochen:
Die Hintermänner der "Münchener Post" werden sich doch nicht zu den "Säuen" rechnen, die bei der nächsten günstigen Gelegenheit g'stoch'n wer'n.
In einem Artikel des "Miesbacher Anzeiger" heißt es:


nächste