1. Reichstag, Weimarer Republik


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sind, die Juden demnächst totzuschlagen, daß wir die Tatsache zu verzeichnen haben, daß dort aufgefordert wurde, die Mitglieder der gegenwärtigen braun-schweigischen Regierung aus dem Weg zu räumen, und diese Äußerungen die Zustimmung der Versammlung gefunden haben. Aber alle diese Redereien würden uns nicht maßgebend sein dafür, daß alles wäre für uns noch kein Grund gewesen, eine solche Maßnahme vorzunehmen, daß wir 54 Polizisten entlassen haben. Die Sache lag noch ganz anders. Diese Stahlhelmorganisation wollte den Schutz der öffentlichen Ordnung durchführen.

(Lachen links.)

Der Stahlhelm hatte bereits Patrouillen ausgeschickt, alle mit Revolvern bewaffnet,

(hört! hört! links)

junge Burschen von 18, 19 Jahre, die die öffentliche Ruhe und Sicherheit aufrechterhalten sollten. Kurz gesagt, er hat eine Reihe solcher Maßnahmen getroffen, die durchaus mit dem Wesen des modernen Staates unvereinbar sind. Da konnte es nicht angehen, daß wir Polizeibeamte duldeten, die einer solchen Organisation angehörten, die die öffentliche Ruhe und Ordnung schützen wollte.

(Sehr richtig! links.)

In welchen Gewissenskonflikt wären diese Polizeibeamten gekommen, wenn sie die Parole des Stahlhelms, die Juden totzuschlagen, auszuführen hätten? Aus diesem Grunde sind 54 Polizisten aus der Schutzpolizei entlassen worden. Und wir werden diesen Weg weitergehen.

(Bravo! Links.)

Wenn wir Beamte in solchen Organisationen finden, die mit dem Charakter der republikanischen Verfassung nicht vereinbar sind, werden wir diese Beamten entlassen, weil es unsere Pflicht ist.

(Erneutes Bravo links. - Zuruf rechts: Dann aber auch den Schutz der öffentlichen Ordnung ausüben!)

- Den Schutz der öffentlichen Ordnung werden wir ausüben und ich freue mich, daß Sie mich darauf aufmerksam machen

(erneute Zurufe rechts.)

denn ich weiß, daß der Freistaat Braunschweig in Deutschland ein schlechtes Renommee genießt,

(sehr richtig! rechts)

indem man nämlich die Behauptung aufstellt, daß dort die öffentliche Ruhe und Ordnung nicht genügend geschützt sei. (Erneute Zustimmung rechts.) Ich konstatiere demgegenüber, daß während der Revolution im Freistaat Braunschweig, deren Periode ich vom November 1918 bis April 1919 setzen will, im ganzen zwei Personen getötet worden sind,

(hört! hört! links)

und zwar bei dem Einzug deutscher Husaren, die auf die Menschenmenge mit Handgranaten geworfen haben - aus Versehen, wie gesagt wird, nicht aus Absicht! Es war ein dreijähriges Kind und ein Herr, der an der Verwundung gestorben ist. Das sind also die einzigen Opfer, die in Braunschweig während der Revolution erfordert worden sind. Während dieser ganzen Zeit aber hat in Braunschweig auch nicht eine Plünderung, nicht eine Zerstörung stattgefunden. Aber dann zog Märker in


Braunschweig ein, und dann vielen in Braunschweig die ersten Menschen zum Opfer. Aber wieder wurde die Ruhe in Braunschweig hergestellt, und sie hat angedauert. Dann machte die Reaktion den Kapp-Putsch. Da wurden gewisse Organisationen von Zeitfreiwilligen auf die Straße geschickt, und da sind wieder Opfer gefallen. Aber seit dieser Zeit sind in Braunschweig keine Opfer mehr gefallen und die öffentliche Ruhe und Ordnung ist in jeder Weise wieder hergestellt worden. Und daß uns dies gelungen ist, immer wieder und bald die öffentliche Ruhe und Ordnung herzustellen, liegt daran, daß wir dort eine sozialistische Regierung haben. - Wenn nur überall die Ordnung wieder so schnell hergestellt würde!7 Bei dieser Gelegenheit will ich noch eins betonen, was hier schon des öfteren gestreift worden ist, so in der Rede des Herrn Abgeordneten Thiel heute früh, nämlich daß wir eine Versammlung, in der der Herr Abgeordnete Hergt sprechen wollte, verboten hätten. Auch hier handelt es sich darum, durch Veranstaltungen, die in der gegenwärtigen Zeit provozierend wirken müssen,

(Gelächter rechts; sehr richtig! bei den Sozialdemokraten und auf der äußersten Linken)

Die Regierung dazu zu betreiben, die Machtmittel des Staats gegen die Arbeiter anzuwenden.

(Zurufe rechts.)

Die Versammlung ist verboten worden, und zwar aus dem Grund heraus, weil uns die Deutschnationalen nicht so wertvolle und schätzbare Bürger der Republik sind,8 daß wir uns durch unzeitgemäße Veranstaltungen, die sie treffen, mit der Arbeiterschaft, der festesten Stütze der Republik, in Konflikt bringen lassen wollen

(stürmische Rufe rechts: aha! - andauernde erregte Rufe und Gegenrufe rechts und links)

und weil wir uns unter keinen Umständen dazu entschließen können, auch nur einen Tropfen Arbeiterblutes zu vergießen, um der Gegner der Republik willen.

(Andauernde große Unruhe)

So, meine Damen und Herren, werden wir immer verfahren, wir werden uns von Ihnen nicht zu einer Politik treiben lassen, die dazu führt, die Machtmittel des Staats gegenüber den Arbeitern anzuwenden zum Schutze der Todfeinde der Republik.

(Aha! Rechts. Ironische Rufe: Demokratisch!)

- Ja, es ist durchaus demokratisch, die Feinde der Demokratie, die unter dem Schutze der Demokratie sie vernichten wollen, in dieser Weise abzuwehren! Solange Sie, meine Herren Deutschnationalen, nicht zur republikanischen Verfassung stehen, sind Sie für uns Todfeinde und sind dementsprechend zu behandeln.9

(Lebhafter Beifall links. - Lachen und Zurufe rechts.)

Vizepräsident Dr. Bell: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Rosenfeld:

Dr. Rosenfeld, Abgeordneter: Meine Damen und Herren.10 Die "Welt am Sonntag" brachte unter der


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