1. Reichstag, Weimarer Republik


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Seite 219

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Bisher - das kann ich feststellen - haben die Deutschnationalen das Gegenteil davon getan.

(Sehr wahr! links.)

Das konnte ja auch gar nicht anders sein; denn sie bilden ja mit jener Gruppe, auf deren äußersten Flügel die Mörderorganisationen sitzen, ein solidarisches, einheitliches Parteigefüge.

(Sehr richtig! links.)

Ihre Partei, die Deutschnationale Partei, bildet für die Mörder das schützende Dach.

(Stürmische Zustimmung links.)

Sie könnten der Hydra des politischen Meuchelmordes den Kopf abschlagen, wenn Sie wollten. Sie haben es nicht gewollt; Sie haben das nicht getan. Sie haben das Gegenteil davon getan. Das Gegenteil davon hat vor allem einer von Ihnen getan: Helfferich.

(Lebhafte Rufe links: Und Wulle! - Abgeordneter Sollmann: Im "Deutschen Abendblatt" gestern abend noch!)

Wenn Helfferich den politischen Mord nicht wollte, dann mußte doch die Ermordung Erzbergers eine furchtbare Warnung für ihn sein.

(Sehr wahr! links, bei den Deutschen Demokraten und im Zentrum.)

Helfferich war der Führer der persönlichen Hetze gegen Erzberger. Er trieb es solange, bis der Mann tot am Boden lag.

(Zurufe links: Auf einen mehr oder weniger kommt es nicht an!)

Mußte ihn das nicht zur Vorsicht mahnen? Aber wo ist diese Vorsicht geblieben? Er hat am 23. Juni hier eine Rede gegen die Regierung und gegen ihre auswärtige Politik gehalten. Er hat die Regierung verbrecherisch genannt.

(Sehr richtig! links.)

Er hat den Staatsgerichtshof für die Regierung verlangt. Ehe ein Tag vergangen war, war der Minister des Auswärtigen von Mörderhand zu Boden gestreckt. Herr Helfferich hat aus der Erfahrung die Folgen gekannt, die sich aus seiner Hetze ergeben. Er hat sich durch diese Erfahrung nicht abschrecken lassen, seine Hetze fortzusetzen. Und dieser Mann, von dem das mildeste Urteil sagen muß, daß er sich der Tragweite seiner Handlungen nicht bewußt ist,

(Zurufe links: Helfferich, und sich nicht bewußt?!)

und die moralischen Hemmungen des normalen Menschen nicht kennt, -

(erregte Zurufe von der äußersten Linken zu den Deutschnationalen; Unruhe; Glocke des Präsidenten.)

Präsident: Ich bitte um Ruhe!

Wels, Abgeordneter: - dieser Mann ist der Führer der Deutschnationalen Partei!

(Lebhafte Rufe links: Sehr wahr!)

Möge dieser Mann, hinter dem blutige Schatten ruchlos gemordeter Menschen drohend und anklagend stehen, endlich aus dem öffentlichen Leben verschwinden! - das ist der einzige Dienst, den er seinem Volke noch zu leisten imstande ist.


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(Sehr richtig! und Bravo! links.)

Meine Damen und Herren! Wir fordern ein rücksichtsloses Vorgehen der Regierung gegen die geheimen Organisationen, welche die Mörderbanden beherbergen. Wir fordern rücksichtslos Verbot all der Regimentsfeiern und -appelle, die doch lediglich zum Gegenstand monarchistischer, antirepublika-nischer Kundgebungen werden. Wir fordern rücksichtsloses Zugreifend seitens der Regierung, die uns im Namen des deutschen Volkes dafür haftbar ist.

(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten. - Zuruf von den Kommunisten: Und Eure Minister?)

- Auch die! Wir wissen, daß die Ausführungen der Verordnung der Regierung das Entscheidende ist. Wir kennen die Schwierigkeiten, die in dem reaktionären Beamtenheer dem wirkungsvollen Schutz der Republik entstehen.

(Zurufe links: Aufräumen mit der Gesellschaft!)

An sie richte ich das Wort: wer der Republik nicht dienen will, der soll darauf verzichten, von ihr Gehalt und Einkommen zu beziehen,

(wiederholte lebhafte Zustimmung links)

der soll aus ihrem Dienst ausscheiden!

(Sehr wahr! links.)

Die Regierung muß sich klar darüber sein: der Glaube in den Arbeitermassen an ein rücksichtsloses Zugreifen gegen rechts ist gering.2

(Sehr richtig! links.)

Die Justiz in unserem Lande ist ein Skandal, der zum Himmel schreit!3

(Stürmische Zustimmung links.)

Die in ihr betätigte Reaktion unterwühlt die Grundfesten der Republik.

(Zurufe von den Kommunisten. - Gegenrufe von den Sozialdemokraten.)

Glauben Sie, daß es einen Menschen in Deutschland gibt, der den Freispruch Killingers durch die badischen Geschworenen versteht? Aber, meine Damen und Herren, dieser Freispruch wird jedem verständlich, der von der Tatsache Kenntnis erhält, daß der die Anklage vertretende Staatsanwalt es ablehnte, den Beamten zu vernehmen, der die Spuren Killingers entdeckte

(lebhafte Rufe links: Hört! Hort!)

und der in den dem Staatsanwalt überreichten Akten bereits darüber berichtet hatte und Zeugen angegeben hatte, daß Killinger, ehe es ihm gelang, Schulz und Tillessen als Mörder für ihn zu dingen, an mehrere Personen in München herangetreten war, um sie unter Geldangeboten zum Mord an Erzberger zu werben.

(Erneute Rufe links: Hört! Hört!)

Hier ist der Fall, in dem sich der neue Staatsgerichtshof zuerst zu betätigen haben wird.4 So feige, wie bei dem Zusammenbruch die Nationalisten und ihre Presse sich gebärdeten, so feige zeigen sie sich auch heute.

(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten und auf der


2 S. 8043B
3 S. 8043C
4 S. 8043C/D

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