1. Reichstag, Weimarer Republik


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Seite 237

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Sozialdemokraten.)

Die Oberlehrer der Kaiserzeit, deren höchster Stolz es war, Leutnant der Reserve zu sein, das sind die Erzieher von heute. Sie sind durchtränkt von dem Geiste, der solche Mordgesellen großzüchtet. Hier gilt es die Quellen zu verstopfen und mit eisernem Besen auszukehren. Diese Erzieher mögen sich meinetwegen zu Stallknechten eignen, aber nicht zu Erziehern unserer Jugend!

(Zustimmung bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Ich sage:2 wir haben ein außerordentlich feines psychologisches Verständnis, so fein, daß wir sehr wohl zu unterscheiden wissen zwischen Deutschnationalen und Deutschnationalen, zwischen einem Düringer, einem Hoetzsch und "Muttel" Behm, wie sie allgemein heißt, und einem Wulle, einem Graefe, einem Major Henning und - last not least - einem Helfferich, dessen geradezu herausfordernde, provokatorisch wirkendes Auftreten hier im Reichstag davon Zeugnis ablegt, daß gerade dieser Mann in seiner Selbstüberhebung auch nicht einen Funken von psychologischem Verständnis für sich selbst besitzt.

(Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Wenn Herr Stresemann sich gestern bemüht hat und auf die Mitglieder des Hauses dahin zu wirken gesucht hat, auch diesem Manne gegenüber gerecht zu sein, so sage ich Ihnen als Arzt, der sich mit solchen psychischen und psychologischen Problemen viel befasst hat: ich habe bisher noch nie einen Mann der Öffentlichkeit gesehen, der so hemmungslos, hemmungslos bis an die Grenze des Pathologischen, ist, wie der Abgeordnete Helfferich.

(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Ich glaube,3 wir können es uns schenken, - denn es ist ja zum großen Teil in der Presse bekannt geworden -, was alles kurz vor und kurz nach dem Mord an Rathenau die deutschvölkische, die deutschnationale, ja die so genannte patriotische Presse vom Schlage des "Lokal-Anzeigers" und ähnlicher Blätter sich geleistet haben. Es muß noch einmal wiederholt werden, was der Kollege Henning in der letzten Nummer der konservativen Monatsschrift über den Rapallo - Vertrag geäußert hat. Da heißt es:

Der Bolschewismus ist der Kampf des internationalen Judentums zur Vernichtung der nationalen Besitze. So lösen sich alle Rätsel in Russland und in vieler Beziehung in der deutschen inneren und äußeren Finanzpolitik. So erscheinen die Abmachungen des Vertrages von Rapallo plötzlich in einem anderen Licht. Der deutsche Jude Rathenau hilft dem russischen Juden zur Errichtung des gemeinschaftlichen Zieles.

(Hört! Hört! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)


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Ich sage: Pfui Teufel noch einmal, wenn jemand in dieser gehässigen Weise über die Vertretung der deutschen Regierung schreib! Dann heißt es:

Kaum hat der internationale Jude die deutsche Ehre in seinen Fingern, so ist davon nicht mehr die Rede.

(Hört! Hört! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Dann gesperrt gedruckt:
Die deutsche Ehre ist keine Schacherware für internationale Judenhände. In der Ehrenfrage der Völker aber liegt ein tiefer historischer Sinn und eine geschichtlich treibende Kraft. Die deutsche Ehre wird gesühnt werden. Sie aber, Herr Rathenau, und Ihre Hinterleute werden vom deutschen Volk zur Rechen-schaft gezogen werden; denn sonst hätte die Weltgeschichte ihren Sinn verloren.

So schreiben die Leute! Und da verlangt Herr Stresemann, daß wir ein psychologisches Verständnis für ihre Motive zu gewinnen suchen müssen, die zu diesen Taten geführt haben! Ich unterschreibe, was Graf Monteglas in der "Germania! Geschrieben hat, indem er sagte:

So schreiben in der Öffentlichkeit, so reden in privaten Kreisen die verantwortlichen Führer einer verblendeten konservativen Schicht der deutschen Bevölkerung. Wo bleibt die deutsche Ehre, wenn man hinterher zu feige ist, um zu den Taten zu stehen, die auf solchem Boden wachsen?

(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie auf die Entgiftung der politischen Atmosphäre so großen Wert legen, dann richten Sie Ihren Blick nicht nur auf uns, sondern mehr noch auf Ihre eigenen Reihen. "Fangt bei euch selber an", hat Goethe einmal gesagt. Glauben Sie der Entgiftung der politischen Atmosphäre in Deutschland durch solche infame Judenhetze herbeiführen zu können, die Judenhetze, der ja schließlich auch Rathenau zum Opfer gefallen ist, die Judenhetze, die Sie bewusst inszenieren, um im Trüben fischen zu können, um Parteigeschäfte damit zu machen?

(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Der Herr Kollege Düringer hat gestern ein Wort Scheffels zitiert, ein Hoch dem Deutschen Reich:

Gott behüt's vor Rassenhaß, und derlei Teufelswerk.

Diese Worte sollte Herr Düringer in seiner Fraktion seinen Kollegen Tag für Tag predigen.

(Lebhafter Beifall bei den Unabhängigen Sozialdemokraten und bei den Kommunisten.)

Dann würde das zur Entgiftung der politischen Atmosphäre beitragen; er sollte es den Wulle und Genossen predigen, die ja von dieser Judenhetze leben und ein Geschäft aus dieser Judenhetze machen.

(Zustimmung bei den Unabhängigen Sozialdemokraten. - Widerspruch bei den


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