1. Reichstag, Weimarer Republik


Zurück zur Titelseite oder Zurück zur Homepage


Seite 258

A B

außergewöhnliche Verhältnisse gewesen sein, die auch in Deutschland eine solche Geistesrichtung erzeugt haben. Aber von dieser vierten Gruppe ist die Deutschnationale Volkspartei durch einen breiten und tiefen Graben geschieden.

(Sehr wahr! bei den Deutschnationalen.)

Sie verabscheut nicht nur die Mittel, mit denen jene Kreise ihr Ziel erreichen wollen; sie ist im Gegenteil auch der Überzeugung, daß mit diesen Mitteln das deutschnationale Ziel nicht erreicht wird;

(lebhafte Zustimmung bei den Deutschnationalen)

denn dieses Ziel, das wir im Auge haben, ist nur zu erreichen auf der Basis der Enttäuschung der durch den Glauben an die Republik und den Sozialismus verführten Massen.

(Sehr gut! bei den Deutschnationalen.)

Dieser Glaube schließt jede Gewaltanwendung von vornherein aus. Meine Herren, nachdem ich so nachgewiesen habe, daß es nur der schändliche Mißbrauch mit dem Worte "rechts" ermöglicht hat, die Massen gegen uns aufzu-peitschen, gehe ich dazu über, Behauptungen zu widerlegen, die Beweise sein sollen für unsere Mitschuld am Morde. Es gibt drei solcher Behauptungen: die erste: wir hätten die Möglichkeit gehabt, durch Einwirkung auf die schuldigen Organisationen den Mord zu verhindern! Die zweite: es seien Zusammenhänge zwischen der Deutsch-nationalen Volkspartei und jenen beschuldigten Organisationen nachgewiesen, die dritte: die Deutschnationale Volkspartei habe durch die Art ihrer Kritik die Atmosphäre des Mordes geschaffen. Was die erste Behauptung anbelangt, daß wir die Möglichkeit gehabt hätten und noch haben, auf jene Gruppen einzuwirken und so ihre verwerflichen Taten zu verhindern, - meine Herren, wenn das wahr wäre, so würden wir die Verantwortung allerdings für die Mordtaten mit übernehmen müssen. Aber diese Annahme berührt auf groben psychologischen Irrtümern,

(sehr richtig! bei den Deutschnationalen)

verkennt vollkommen namentlich die seelische Eigenart der Jugend. Auch wir leben in der schwersten Sorge darüber, daß das vergangene Attentat nicht das letzte sein könnte,

(hört! hört! bei den Sozialdemokraten)

und wenn wir ein Mittel hätten, um das zu verhindern, so würden wir uns am meisten ins Zeug legen, um jenen Wahnsinnstaten vorzubeugen.

(Sehr richtig! bei den Deutschnationalen. - Zurufe von den Unabhängigen Sozialdemokraten: Herr Wulle hetzt schon wieder!)

- Ja, was Sie hetzen heißen.

(Abgeordneter Dr. Stresemann: Was in Württemberg Ihr Vorsitzender von Ulm tut! Kümmern Sie sich mal darum! - Zuruf von den Unabhängigen Sozialdemokraten: Da hören Sie es von der Volkspartei!)

- Ach, Herr Stresemann, bringen Sie nicht hier persönliche Verärgerungen über andere zum Ausdruck.


vorige

(Abgeordneter Dr. Stresemann: Sie kennen die Äußerung!)

- Ich kenne sie nicht; aber ich muß annehmen, daß es sich um einen persönlichen Angriff auf Sie handelt.

(Lärm und fortgesetzte Zurufe bei den Sozialdemokraten und auf der äußersten Linken.)

(Zu den Abgeordneten der Linken gewandt, die das Rednerpult umdrängen):

Und rings im Kreis, Von Mordsucht heiß, Lagern die gräulichen Katzen!

(Zurufe von den Kommunisten: Und zwischendrin saß der Bazille! - Seht den frechen Kerl an!)

- Meine Damen und Herren, wenn Sie die Schriften jener Kreise lesen und die Äußerungen jener Kreise hören, so finden Sie darin Aussprüche voll tiefer innerer Verachtung über das, was sie die "Schlappheit der Deutschnationalen" nennen. Je schwächer unsere Opposition ist, desto stärker wird in den Seelen jener jungen Männer der Glaube, daß ihnen die Mission zugefallen sei, dem deutschen Volke zu helfen.

(Zuruf von den Deutschen Demokraten: Hören Sie doch auf! - Abgeordneter Hoffmann [Berlin]: "Mission", da wenden Sie sich mal an Mumm! -Abgeordneter Dr. Löwenstein: Sie schaffen ja die Romantik für diese jungen Leute!)

- Sie, lieber Freund aus dem Alten Testament, sollen ganz besonders - -

(Lärm auf der äußersten Linken. - Abgeordneter Kuhnt: Sie frecher Schurke! Sie unverschämter Lümmel! Unverschämter Patron! Sie Flegel! - Große Unruhe und fortgesetzte Zurufe. - Glocke des Präsidenten.)

Präsident: Herr Abgeordneter Bazille, -

(Abgeordneter Kuhnt: So ein Lump! So ein unverschämter Flegel!)

- Herr Abgeordneter Bazille, ich rufe Sie wegen Ihrer Anrede an den Herrn Abgeordneten Löwenstein zur Ordnung.

(Andauernde Unruhe.)

- Herr Abgeordneter Kuhnt, ich rufe Sie erst recht wegen Ihrer ganz unerhörten Zurufe zur Ordnung.

(Zurufe von den Kommunisten: Die hat er verdient!)

Bazille, Abgeordneter: Herr Präsident, haben Sie gehört was Herr Abgeordneter Löwenstein gesagt hat?

Präsident: Ich habe es gehört, es war nicht parlamentarisch.

Bazille, Abgeordneter: Der stenographische Bericht wird es ja nachweisen, daß ich eine gewisse Berechtigung zu dieser Äußerung hatte.

(Zuruf von den Kommunisten: Unverschämtheit!)

Ich habe davon gesprochen, daß diese jungen Leute an eine Mission glauben, und durch meine Apostrophierung des Abgeordneten Löwenstein habe ich zum Ausdruck bringen wollen, was Ihnen ja wohl bekannt ist,

(Zuruf links: Antisemitische Hetze!)

daß es zuerst das Alte Testament gewesen ist, das den politischen Mord damit gerechtfertigt hat, daß es


nächste