1. Reichstag, Weimarer Republik


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Notenumlauf jetzt in Deutschland vorhanden ist. Insbesondere muß daran erinnert werden, daß gegen unser Anraten, bisher eine wertbeständige Anleihe nicht aufgelegt worden ist und man jetzt erst dazu kommt. Ich komme darauf später noch zurück und will im Zusammenhang mit dem Ruhrkampf nur sagen, daß ich es nicht verstanden habe, wie bisher die deutsche Reichsbank sich so gegen die Auflage einer Goldanleihe im Inland stemmen konnte. Wenn das der "Temps" tut, so ist das verständlich. Denn es ist ein Interesse der französischen Politik, Deutschland zur Kapitulation zu bringen und die wirtschaftliche Zerrüttung der deutschen Finanzen zu fördern, weil die maßgeblichen Kreise in Frankreich immer noch der Auffassung sind, daß es ihnen doch noch gelingen könnte, an das Ziel zu kommen, an das Clemenceau im Sommer 1919 bekanntlich nicht gekommen ist, weil man dort immer noch der Hoffnung ist, daß es gelingt, Deutschland zu zerschlagen und die entstehenden Teilstaaten diplomatisch zu beeinflussen, daß es insbesondere gelingt, am Rhein einen Staat entstehen zu lassen, der auch militärisch unter die Kontrolle Frankreichs kommt. Das ist zweifellos das Ziel der französischen Politik und nicht die Reparationspolitik.

(Lebhafte Zustimmung.)

Wenn es die Reparationspolitik wäre, müßte Frankreich eine ganz andere Politik einschlagen, als wie sie die maßgebenden Franzosen in letzter Zeit eingeschlagen haben.

(Sehr richtig! links und bei den Deutschen Demokraten.)

Ich möchte zu dem, was ich in diesem Punkte schon früher gesagt habe, nur das eine sagen. Selbst wenn es diesen von engstirnigen Militärs beeinflussten französischen Politikern gelingen sollte, an dieses Ziel zu kommen, so würde sich das eines schönen Tages bitter rächen.

(Sehr richtig!)

Und diese Gewaltpolitiker in Frankreich4 sollen sich darüber klar sein, daß es zu einer Befriedung Europas nicht kommen wird, ehe nicht diese Pläne aufgegeben worden sind, und daß es nichts nutzen würde, wenn, um mit Baldwin zu reden, Frankreich zu seinen Zielen kommen würde. Wir haben die feste Zuversicht, daß es uns gelingt, diese Pläne abzuwehren. Aber ich glaube, wir können das nicht besser tun, als wenn wir bei jeder Gelegenheit beweisen, wie ernst es uns um die Einheit des Reichs ist.

(Sehr wahr! bei den Vereinigten Sozialdemokraten.)

Ich bedauere deshalb, daß in letzter Zeit wieder in einem Teile von Deutschland sich ein Partikularismus breit macht, den man nicht für möglich halten sollte

(sehr wahr! bei den Vereinigten Sozialdemokraten)

angesichts des Vorgehens, das die Franzosen im Ruhrgebiet sich gegen Deutschland erlaubt haben. An dem, was wir in letzter Zeit in Bayern erlebt haben, hat die französische Politik ihre helle Freude.

(Sehr wahr! bei den Vereinigten Sozialdemokraten. - Zuruf rechts. Sachsen!)

- Ich komme auf Sachsen, seien Sie ganz beruhigt, Sie werden auch über Sachsen einiges zu hören bekommen.


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Ich wollte zunächst einige Bemerkungen über die Notwendigkeit der Einheit des Rechts machen, die in der Einheit des Reichs auch gegeben sein muß. Es ist tief zu beklagen, daß wir uns auch heute wieder über das reaktionäre, unverantwortliche Vorgehen der bayerischen Polizei und der bayerischen Justiz beklagen müssen,

(sehr wahr! bei den Vereinigten Sozialdemokraten)

das gerade Mörder züchtet, wie wir es in Rollenhofen bei Nürnberg erst jetzt wieder erlebt haben. Ein verfassungstreuer Deutscher braucht nicht in das Ruhrgebiet zu gehen, um erschossen zu werden; das kann er in Bayern auch haben. Nun ist mir vorhin der Zwischenruf gemacht worden: Sachsen und Thüringen.5 Ja, meine Damen und Herren, wenn in Sachen und Thüringen über den Bürgerkrieg geredet wird, so ist das doch kein Wunder, wenn man sieht, wie im Nachbarlande Bayern die bewaffneten Organisationen gegen Sachsen und Thüringen aufgehetzt werden.

(Sehr wahr! bei den Vereinigten Sozialdemokraten.)

Kommen Sie einmal nach Thüringen, fragen Sie, wie zum Beispiel der Jungdeutsche Orden in Coburg auf die Bevölkerung dort gewirkt hat.

(sehr richtig! bei den Vereinigten Sozialdemokraten)

und Sie werden sich wahrhaftig nicht mehr darüber wundern, daß man solche ernsten Besorgnisse hat.

(Sehr wahr! bei den vereinigten Sozialdemokraten - Zurufe rechts.)

- Bitte, reden Sie nicht mehr vom Sowjetstern, nachdem Hakenkreuz und Sowjetstern in immer intimere Beziehungen zueinander kommen!

(Sehr wahr! links. - Zurufe rechts.)

- Sie können mir doch nicht "Schwindel" zurufen, wenn Graf Rewentlow in der "Roten Fahne" schreibt.

(Sehr richtig! links. - Zurufe rechts.)

- Ist das vielleicht nicht wahr?! - Ich sage also: das Gerede vom Bürgerkrieg ist eben die Folge der Situation, in der sich Bayern und Sachsen befinden, und es ist durchaus verständlich, wenn von dort aus deshalb warnende Stimmen ertönen. Man hätte in jeder Beziehung auf die warnenden Stimmen hören sollen, die aus Sachsen und Thüringen in letzter Zeit gekommen sind. Meine Damen und Herren!6 Wer dafür sorgen will, daß auch die proletarischen Hundertschaften, die von den Kommunisten groß gezogen worden sind, verschwinden, ihren Einfluß verlieren, der soll zuerst dafür sorgen, daß diejenige Gefahr beseitigt wird, die diese Hundertschaften hervorgebracht hat.

(Sehr wahr! links.)

Ich mache darauf aufmerksam, daß, wenn es zum zweiten Male versucht werden sollte, einen Putsch zu machen, so wie wir den Kapp-Putsch erlebt haben, ein solches Unternehmen meiner Meinung nach auch zum zweiten male abgeschlagen werden würde.

(Sehr wahr! links.)

Aber das deutsche Volk müsste dann Erschütterungen durchmachen, die vielleicht das staatliche Gefüge des deutschen Volkes nicht mehr aushalten würde, und


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