kleinen abgeben, sie hatten aber dabei aber nur sehr geringe Erfolge. Deshalb wandten sie sich an eine Anzahl größerer Firmen,
von denen die eine von mindestens 75 Millionen Mark betragenden Objekten nur höchstens 20 Millionen in Anspruch nehmen konnte,
während eine andere sich bereit fand, 2 Mark pro Kilogramm zu zahlen. Das war ein Angebot, das nicht etwa höher und besser war
als das der Firma Kahn; denn die Firma Kahn, hinter der bekanntlich auch die Diskontogesellschaft steht, in der soweit ich weiß,
eine größere Anzahl sehr achtbarer christlicher Herren die erste Geige spielen, bot 2,10 Mark, also 10 Pfennig pro Kilogramm
mehr und ist außerdem nach dem Vertrag bereit, die Hälfte des erzielten Mehrerlöses an das Reich beziehungsweise die
Deutschen Werke abzuführen. Hier steht also fest, daß eine Begünstigung einer scheinbar jüdischen Firma durchaus nicht
nachgewiesen werden kann, sondern daß christliche Firmen viel weniger für den großen Maschinenpark und die Schrottmengen
boten, als der Herr Kahn getan hat. Deshalb war es für eine einigermaßen gut orientierte Direktion etwas ganz Selbstverständliches,
wie es auch für den Aufsichtsrat selbstverständlich war, daß sie dem Vertrag und dem Angebot zustimmten, aus dem ein viel
höherer Erlös erzielt werden kann.
Der Kahn-Vertrag hat ja seine Bedeutung schon um deswillen erhalten, da sich sehr bald ein repräsentables Mitglied der
Deutschnationalen Fraktion veranlasst sah, um deswillen eine Anfrage im Reichstag zu stellen: Herr van den Kerkhoff,
der erst vor kurzer Zeit in einem Artikel schrieb: zweifellos hat sich seit den Herbsttagen 1918 vieles ereignet,
das uns die Schamröte ins Gesicht treibt. Jener Herr van den Kerkhoff, der auch uns bereits die Schamröte ins Gesicht
getrieben hat, hat die Anfrage gestellt, obwohl die Firma, deren Interessenvertretung er mit übernommen hat, nämlich
die Firma Wagner, sich veranlasst gesehen hatte, ebenfalls Angebote auf Erwerb der in den Deutschen Werken vorhandenen
Maschinen zu stellen. Es wird Ihnen bekannt sein, daß diese Firma Wagner vor ganz kurzer Zeit mit Rücksicht darauf,
daß sie riesige Steuerhinterziehungen begangen hat, sich freiwillig bereit fand, Steuerbeträge in Höhe von
sechs- bis acht Millionen als Hinterzogen auf einem Brett zu bezahlen. Diese politisch-wirtschaftliche G.m.b.H.
Kerkhoff-Wagner hat also ins Geschäft der Deutschen Werke kommen wollen und beabsichtigte, den Herrn Kahn auszustechen.
Und es war eigentümlich, daß, als in Aussicht stand, daß Herr Wagner nicht ins Geschäft kommen und jene Gewinne, die
scheinbar jetzt Herr Kahn macht, nicht in noch höherem Maße für sich in Anspruch nehmen kann, sich damals Herr Wagner
veranlasst sah, offen zu drohen: wenn er das Geschäft nicht mache, würde sich Herr van den Kerkhoff als Reichstagsabgeordneter
veranlasst sehen, jene Frage öffentlich weiter zu verfolgen. Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie weit das Gewissen
des Herrn van den Kerkhoff ist. Ich weiß nicht, wieweit eine Vereinbarung zwischen Wagner und van den
vorige
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Kerkhoff stattgefundne hat. Aber für jeden rein objektiv denkenden und urteilenden Menschen ist jenes Beginnen, was hier
von Wagner und van den Kerkhoff unternommen worden ist, außerordentlich stark identisch mit einer so genannten
politisch-wirtschaftlichen Erpressung. Und darum, meine Damen und Herren von rechts, sehe ich mich genötigt, Ihnen frei
und offen zu erklären, daß Sie schon auf Grund jener fragwürdigen Vorkommnisse absolut das Recht verwirkt haben, heute,
wie früher schon, als Sittenwächter sich hier im Reichstag aufzuspielen. Man darf, nachdem hier öffentlich festgestellt
worden ist, daß van den Kerkhoff sein Mandat politisch missbraucht hat, sich die Frage gestatten: Wie oft haben denn jene
Herrschaften diese politische Pistole schon erhoben, um damit wirtschaftliche Geschäfte zu machen?
(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)
Wenn ich nun die Frage erörtern soll, wie es zu jenem Missverständnis in den deutschen Werken gekommen ist, so kann ich
darauf nur die Antwort erteilen, daß ich bei dem Herrn Reichsschatzminister nicht die genügende Liebe zu finden glaube,
die er den Reichswerken gegenüber durchaus betätigen muß. Das ist ja, wie ich bereits früher dargelegt habe, eine alte
Erscheinung; durch seine Tätigkeit zieht sich - vielleicht unbewusst - ein schwarzer Faden von Feindschaft gegen jeden
Gedanken der Gemeinwirtschaft. Er ist in Liebe zur Privatwirtschaft erzogen und kann aus dem Grunde sich nicht dazu verstehen,
den großen Reichsbetrieben das Maß von Freundschaft und Entgegenkommen entgegenzubringen, das durchaus als Voraussetzung
zu einer günstigen Entwicklung vorhanden sein muß. 3
Ich habe hier zu erklären, 4 daß mein Freund Wissell und der verstorbene Abgeordnete Legien in den Verhandlungen des
Hauptausschusses für die Direktion eingetreten sind, nicht für den Vertrag, der ohne ihr Wissen abgeschlossen wurde,
wohl aber dafür, daß die Direktion das Recht hat, mit jenem Verträge abzuschließen, der am meisten bietet. Für unsere
Freunde war der Name des Kontrahenten absolut gegenstandslos, und daß meine Freunde recht gehabt haben, das ergibt
sich daraus, daß die ganze Kahn - Angelegenheit doch heute eigentlich wie eine geplatzte Seifenblase zu betrachten ist.
Denn von den so genannten Millionen, die Herr Kahn scheinbar verdienen sollte und wollte, ist nach den gemachten
Darlegungen nicht mehr viel übrig geblieben. In dem Kampf aber gegen den Kahn-Vertrag handelte es sich um die Existenz
des Werkes überhaupt.
3S. 2746D
4S. 2747B
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