Kommentar zur Quelle: Staatspolitische Arbeitsgemeinschaft, Juni 1919, DNVP
Die vorliegende Quelle ist eine der wichtigsten Belege für die These meiner Dissertation: der Antisemitismus sei bezüglich seiner Inhalte
wider besseren Wissens als Waffe zur Beseitigung der Demokratie benutzt worden. Aus den hier
folgenden Beiträgen wird deutlich, daß die Mitglieder dieser Arbeitsgemeinschaft - gleich ob sie nun Antisemiten sind oder nicht -
diesen zur "Umerziehung" der deutschen Bevölkerung zum "Deutschtum" einsetzen wollen. Es ist der Kampf der Konservativen gegen Liberalismus,
Sozialismus und Kommunismus mittels antisemitischen Ressentiments. Die Hauptwortführer signalisieren ganz klar, daß es nicht gegen die
Juden geht, sondern gegen den "jüdischen Geist", und dafür steht eben Liberalismus und Sozialismus. Und weil nun die Hälfte der
Bevölkerung diesen "undeutschen" Ideen anhänge, müsse man sie auf den Pfad der Tugend mittels Ansprechen der auch in diesem Teil der Bevölkerung
vorhandenen Vorurteilen zurückführen. Die Methode lautet: "Politisierung des Unpolitischen" zwecks besserer Lenkung der "Massen" im
Sinne der DNVP, bzw. der in ihr aufgegangenen Deutschkonservativen. Ein anderer, verhängnisvoller Aspekt, ist die Instrumentalisierung des
Ressentiments in Verbindung mit der Behauptung der Konservativen, der Krieg sei verloren worden, weil das deutsche Volk im Innern nicht
geschlossen genug gewesen sei.Hier hat der Antisemitismus die Funktion der inneren Sammlung. Insofern dient die antisemitische Umerziehung mit ihren speziellen antiliberalen und antidemokratischen
Inhalten auch der moralischen Vorbereitung eines Revanchekrieges, sowie der Abwehr der Behauptung, die alten Eliten des Kaiserreichs
hätten den Krieg gewollt und verloren und sollten nun auch die Hauptlast der Reparationen zahlen.
So wurde die antisemitische "Umerziehung" dazu eingesetzt,
den Blick auf die sozialen Probleme zu verstellen, indem man falsch Ursachen benannte.
Mein Resümee lautet deshalb: Die Instrumentalisierung des Antisemitismus war der gröbste Betrug an den Anhängern und Vertretern dieses Ressentiments.
Auf den Punkt gebracht lautet das Ergebnis der Staatspolitischen Arbeitsgemeinschaft: Die antisemitisch eingestellte oder auch bereits verhetzte "Masse" bei ihren
unberechtigten Vorurteilen zu packen und gegen ihre eigenen - vor allem sozialen Interessen - zu übertölpeln.
Diejenigen, die dieses böse Spiel sehr schnell durchblickten, waren die (antisemitisch) Deutschvölkischen, die darauf hinwiesen, daß besonders vor Wahlen, die Deutschnationalen den Antisemitismus
hervorholten.
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