Weimarer Republik


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Erläuterungen zur Sitzung Nr. 196,
1. Legislaturperiode


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Nach tagelangen Verhandlungen über 14 Punkte in einem Steuerpaket zur Begleichung von 720 Millionen Goldmark an die Siegermächte, weisen diese nun "das Steuerkompromiß" des Reichstags offenbar als Farce zurück. Aufhänger ist 1 Million Goldmark, die man den Besitzenden über eine Zwangsanleihe abgerungen hatte. Angesichts einer Forderung von ursprünglich 3 ½ Milliarden Mark, die unter Vorbehalt auf besagte 720 reduziert worden war, ein lächerlicher Betrag. Über 99% der zu leistenden Zahlungen wurden über Verbrauchssteuern beschlossen und trafen damit die breite Masse der Bevölkerung einschließlich derer, die, wie die Kommunisten aufgezeigt hatten, ohnehin schon am Hungertuche nagten. Dieser "Steuerkompromiß" mit 1 Million Goldmark angesichts 720 Millionen Goldmark zu zahlenden Betrag war für die Entente der untrügliche Hinweis darauf, daß hier weitaus mehr zu holen sein würde.

Um dies künftig sicherzustellen, beschloß die Entente, die Einkommensverhältnisse der Besitzenden in Zukunft bei den Finanzämtern vor Ort direkt selbst zu überprüfen. Was natürlich ein weiterer massiver Eingriff in die Hoheitsrechte und das Haushaltsrecht des Reichstags bedeutete. Bei der Rede des Reichskanzlers Wirth wird jedoch die Vermutung gewäckt, daß die "Regierung der Erfüllung", die beweisen wollte, daß die Forderungen der Entente trotz besten Willens der Regierung nicht erfüllbar sei, äußerst trickreich arbeitete und sich dabei nun selber aufs Kreuz gelegt hatte.

Hinweis: Zur Begleichung der 3 ½ Milliarden, die ursprünglich gefordert worden waren, hatte die Reichsregierung bei der Bank of England einen Kredit beantragt. Dieser aber wurde wegen mangelnder Bonität des Dt. Reiches abgelehnt. Ein Punktsieg für die dt. Regierung. Danach erhielt sie eine Reduktion der ursprünglichen Forderungen auf besagte 720 Millionen, jedoch unter Vorbehalt. Durch die Farce mit der 1 Million Goldmark per Zwangsanleihe aber war offenbar für England und Frankreich das Maß voll. Nun wurde richtig gefordert: 60 Milliarden(vermutlich aber Papiermark, keine Goldmark!).

Für die künftige Auseinandersetzung im Reichstag aber spielte die Kontrolle der Finanzbehörden zwecks Eingriff in die Vermögensverhältnisse der Besitzenden eine sehr bedeutende Rolle. Der Vorwurf der DNVP-Politiker an die Weimarer Koalitionäre lautete nun: Sie seien Erfüllungsgehilfen der Entente bei der Auslieferung des deutschen Besitzes an die Siegermächte. Für die Rechten war das eine scharfe Agtitationswaffe gegen die Demokratie. Weshalb Stampfer (SPD) auch sagte: "je schlechter es Deutschland geht, desto vergnügter glänzen manche Gesichter."

Literaturhinweise

Thomas Reitel
Das schwierige Spiel
des Parlamentarismus S. 121
Der Steuerkompromiß