1. Reichstag, Weimarer Republik


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Erläuterungen und Kommentar zu Reichstagssitzung 306

Die Krise, ausgelöst bzw. weiter verschärft, durch die französische und belgische Ruhrbesetzung, spitzt sich weiter zu. Nicht nur die sozialen Verhältnisse, die ohnehin auf das schwerste belastet sind, verschärfen sich weiter, auch die politischen werden von links, besonders aber von rechts weiter angeheizt. Man will den passiven Widerstand gegen die Besatzer in einen bewaffneten überführen. Reichswehr und verbotene, bewaffnete Geheimorganisation arbeiten zu diesem Zwecke zusammen, so die Vorhaltungen der linken Opposition gegenüber der Regierung.

Diese politisch gesellschaftlichen Verhältnisse sind natürlich beste Bedingungen auch für antisemitische Agitation, wie sie im Folgenden vom völkischen Redner der DNVP praktiziert wird. In diesem Zusammenhang will die DNVP-Führung auch unter Beweis stellen, dass sie die wahre Heimat aller Völkischen und Antisemiten ist und nicht die eben erst neu gegründete rassistische Deutschvölkische Freiheitspartei (DVFP), durch die sich die DNVP als "auch völkisch", also als völkische Trittbrettfahrer disqualifiziert sieht.

Für die DNVP-Führung ist es wichtig, die Völkischen als auch die offen bis latent antisemitische Wählerschaft bei der Partei zu halten und jetzt nicht an die neugegründete DVFP zu verlieren. Das Konzept für die DNVP heißt weiterhin: Mit Katastrophenpolitik und antisemitischer Agitation den demokratischen Sozialstaat aufzumischen und in allgemeinem Aufruhr und Chaos zu überwinden ohne aber dabei die deutsche Wirtschaft als letzte, verbliebene Kraftquelle, zu schädigen. Die Hauptlinie der DNVP-Agitation gegen ihre antisemitische Konkurrenzpartei (DVFP) ist in Ihren Parteibroschüren der ständige Hinweis auf die Nähe dieser "sozial" Völkischen zum Sozialismus und Kommunismus. Und da in der völkischen Agitation Sozialismus und Kommunismus "jüdische" Erfindungen sind, liegt für die DNVP-Propaganda das agitatorische Argument nahe, daß es sich bei der neugegründeten völkischen Partei um eine Neuschöpfung handle, die von jüdischem Geist infiziert sei. Umgekehrt warfen das jedoch die antisemitischen Rassisten der DVFP auch der DNVP-Führung vor, da diese ja enge Beziehungen zu Juden unterhalte. In den Parteipublikationen dieser beiden Parteien entspann sich deshalb eine Auseinandersetzung, die nicht nur für den heutigen Leser leicht pathologische Züge trug. Es ging im Wesentlichen darum, sich ein Agitationsmittel nicht aus der Hand schlagen zu lassen, also um den Anspruch auf ein Alleinstellungsmerkmal.

Literaturhinweise