1. Reichstag, Weimarer Republik


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Reichstag. - 306. Sitzung. Freitag den 23. Februar 1923

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306. Sitzung. [i]


Freitag den 23. Februar 1923.

Zweite und dritte Beratung des Notgesetzes.

Präsident: Das Wort in der fortgesetzten Beratung hat der Herr Abgeordnete Fröhlich.

Frölich, 1 Abgeordneter: Der Herr Reichsweh-rminister hat gestern geglaubt, er müsse seinem Amt Ehre machen und den starken Mann spielen. Er hat die Stulpenstiefel des Herrn Ludendorff angezogen und wie dieser erklärt, kurz und bündig: "Vorwärts" lügt! - so erklärt er, die Mitteilungen in der "Roten Fahne" seien nach Form und Inhalt unwahr. Herr Geßler hat Pech gehabt! Das erste öffentliche Echo auf unsere Mitteilungen war eine offiziöse Mitteilung, die ganz offenbar aus dem preußischen Innenministerium stammt, in der ein wesentlicher Teil unserer Behauptung zugestanden wird.

(Sehr wahr! bei den Kommunisten.)

Die Behauptung, die wir hier verschiedentlich unter Beweis gestellt haben, nämlich daß eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Reichswehrministerium und den verbotenen Orgeschverbänden besteht, ist offiziell gerechtfertigt worden.

(Hört! Hört! bei den Kommunisten.)

Stellen Sie sich die nationalistische Hetze vor 2 , die gegenwärtig betrieben wird, stellen Sie sich vor, wie man auf die Reichsregierung einen Druck ausübt, um sie zum bewaffneten Losschlagen an der Ruhr zu bringen, wie bei den Demonstrationen in Bayern Offiziere, Professoren und anderes nationalistisches Gesindel darauf hingewiesen haben, daß es notwendig sei, jetzt nicht mehr passiven Widerstand zu leisten, sondern zu handeln, und daß die, wie es hier heißt, verbrecherischen Elemente, die dem im Wege stehen, beseitigt werden müssen. Ich will auf die Rundschreiben hinweisen, das die Deutschnationale Partei in Essen verbreitet hat an die Betriebsführer der Werke im Ruhrgebiet, In dem Rundschreiben heißt es:

Was machen Sie, wenn Franzosen den Zechen-platz betreten oder Beamte oder Arbeiter verhaften? Antwort: Es sind sofort die Betriebsbeamten in Kenntnis zu setzen und durch Sirenen und sonstige Signale die ganze Tagesbelegschaft zu alarmieren, damit sie schnellstens in drohender Haltung mit Hammer, Hackenstiel usw. die Franzosen umgeben.
Das bedeutet unmittelbaren Aufreiz zu Putschen, deren Resultat nur sein kann, daß die Arbeiterschaft dort niedergeschmettert wird. Die Herren riskieren dabei


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nichts; die Arbeiter werden diese Spielereien mit ihrem Blut bezahlen müssen, wenn sie sich darauf einlassen. In einem Aufruf, der von Neu-Ulm ergangen ist, heißt es:

Die gemeinsame Not muß unsere Kräfte stählen; wir müssen uns bewaffnen so gut wie möglich. An jedem Platz sind Schützenvereine zu bilden, welche die Leitung in die Hand zu nehmen haben.

(Hört! Hört! bei den Kommunisten. - Zurufe rechts.)

Das ist nichts weiter als eine Hetze zum bewaffneten Einschreiten; die Gelegenheit wird benutzt - -

(Erneute Zurufe rechts.)

- Was, Sie entrüsten sich darüber, wenn wir feststellen, wie hier die Nationalisten das deutsche Volk in eine Katastrophe hineintreiben wollen, die der Reichswehrminister gestern selber als Wahnsinn charakterisiert hat? Wir sollen das deutsche Volk in ein unerhörtes Unheil hineintreiben lassen?

(Zurufe rechts.)

Wir werden zeigen, in welcher Weise der Kampf gegen Poincaré geführt werden kann. Das ist nicht der Weg, das ist der Weg zum Tode des deutschen Volkes.

(Sehr richtig! bei den Kommunisten. - Abgeordneter Henning: Sie kämpfen nicht gegen, sondern für Poincaré. - Erregte Zwischenrufe bei den Kommunisten und rechts. - Glocke des Präsidenten.)

Präsident: Ich bitte um Ruhe!

(Zuruf rechts: Wann ist die letzte Sendung aus Rußland gekommen. - Gegenrufe bei den Kommunisten: Französische Franken!)

Frölich, Abgeordneter: - Fragen Sie doch mal Ihre Kollegen, welche Verbindung Sie mit dem französischen Kapital haben.

(Zurufe rechts.)

- Ich werde deutlicher werden.

(Zuruf rechts: Ja, bitte!)

- Jawohl! Herr Beuermann hat sich gestern über unseren Vorstoß entrüstet und gesagt, es sei Landesverrat. Warum wendet sich Herr Beuermann nicht an seinen guten Freund, den Herrn Moldenhauer, der im Ausschuß des Anilinkonzerns sitzt und hier als Reichstagsabgeordneter mitschuldig ist an dem Hochverrat, den diese Großkapitalisten an Deutschland begangen haben für gute bare Münze, für echte französische Goldfranken.

(Sehr richtig! bei den Kommunisten.)

Jawohl, da ist der Hochverrat! Mir liegt hier weiter eine Nummer der Zeitschrift "Heimatland" vor, das Wochenblatt der vereinigten vaterländischen Verbände, in dem zum bewaffneten Kampf gegen Frankreich aufgeputscht wird, in dem gesagt wird:

Die Frage, wem letzten Endes mit passivem Widerstand gedient werden soll, verlangt eines Tages Beantwortung.
Dann wird zum bewaffneten Einschreiten gegen Frankreich aufgereizt. Eine Provokation wird nach der anderen unternommen, das ganze Volk wird in eine erregte Stimmung getrieben. Alle diese enttäuschten Kleinbürgermassen, die gerade durch die nieder-


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