Erläuterungen zur Sitzung Nr. 32, 1. Legislaturperiode
In dieser Debatte geht es um Korruptionsfälle und "Verschiebungen" größerer Geldsummen ins Ausland.
Die Motive, die dahinter stehen, sind: Antisemitismus und Klassenkampf. In der Debatte werden verschiedentlich
jüdische Namen genannt(Levy, Grußer, Sklarz). Diese Namen wurden von der nationalistischen DNVP und den
Völkischen mit der SPD/USPD/DDP und der "Revolution" in Verbindung gebracht mit der Behauptung, Korruption
und Schwarzgeschäfte seien typisch für das neue, demokratische System, typisch für die "Judenrepublik".
Unter der Monarchie hätte es sowas nicht gegeben. Abgeordneter Müller tritt nun aber mit der Belastung der
Fürstenhäuser den Gegenbeweis an. Der Nebensinn dieser Debatte ist die Zurückweisung der unterschwellig
antisemitischen Verunglimpfungen gegen die demokratischen Parteien und das demokratische System. Ein weiteres
Motiv ist die Frage nach der gerechten Verteilung der schweren finanziellen Lasten, die aus dem verlorenen Krieg
erwachsen sind. Die Rechten versuchen sich zu entlasten durch die Behauptung, die Lasten wären nicht so drückend,
wäre die Revolution (also die "verjudete Linke"), dem siegreichen Heer nicht in den Rücken gefallen. Die sogenannte
Dolchstoßlegende diente u.a. den Rechten zur Zurückweisung von Forderungen, die Bürgerlichen, das Kapital und
der Großgrundbesitz müßten stärker belastet werden, als Arbeiter und Angestellte.
Der Behauptung der Linken, aus den Reihen der Deutschnationalen und des Bürgertums seien ja auch die Kriegstreiber und
Verhinderer des Verständigungsfriedens gekommen - weshalb sie auch für die Niederlage und die daraus erwachsenen
Reparation (Versailler Vertrag)zu zahlen hätten -, traten die Deutschnationalen mit der Dolchstoßbehauptung entgegen und mit antisemitischen
Verschwörungstheorien.
Abgeordneter Kahl: Deutsche Volkspartei (DVP), eine Partei des National- bzw. Wirtschaftsliberalismus, später auch
"Stresemannpartei" genannt. Galt 1920 noch als eine potentielle Unterstützerin der DNVP, solange, bis die Völkischen
innerhalb der DNVP den Antisemitismus zu zügellos betrieben. Von da ab ging zumindest die Parteispitze zur DNVP etwas auf Distanz.
Abgeordneter Höllein (USPD)
Abgeordneter Scheidemann (SPD)
Abgeordneter Graf Westarp (DNVP), ehemals Deutsch-konservative-Partei im Kaiserreich, Fraktionsvorsitzender der DNVP,
später auch einige Zeit ihr Vorsitzender, war der politische Mentor Wulles und der Völkischen in der DNVP.
Er plädierte stets für deren Verbleib in der DNVP, um so der aristokratisch ausgerichteten Partei im demokratischen System
eine Massenbasis zu verschaffen.
"Loch im Westen…" Damit ist die offene Grenze am Rhein gemeint. Das Rheinland war von alliierten Truppen besetzt.
"überperönliche Lebenseinheit des Volkes..." (S.22)
Westarp meint hier die 'überpersönliche Wesenheit des Staates'. Eine Staatsauffassung, die der heutigen Vorstellung vom Staat als Serviceeinrichtung
für seine Bürger entgegensteht. Der Staat ist bei Westarp das "höhere Wesen", das dem Individum erst seinen Sinnhorizont und seine Daseinsberechtigung gibt.
Daß er hier "Staat" durch "Volk" ersetzt, ist eine gewisse Anbiederung an die Völkischen, die er umwirbt und deren Auffassung vom Staat eigentlich
eine ganz andere als die seinige ist.
Hölleins Polemik gegen die SPD (S.20/21) richtet sich gegen das Stinnes-Legin-Abkommen und gegen Rudolf Wissell (SPD). Sie wollten
den Klassenkampf dadurch überwinden, indem sie Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei aller Unterschiedlichkeit der Interessen doch als Sozialpartner
im Wirtschaftsleben einer Nation ansahen.Das widersprach der kommunistischen Klassenkampfideologie. Das Scheitern Wissels und Legins gab dieser
Ideologie im nachhinein Auftrieb.
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