1. Reichstag, Weimarer Republik


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von Guerard (Zentrum)
Koch-Weser (DDP)
von Grafe (DVFP)
Oeser (DDP)
Henke (SPD)

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Erläuterungen und Kommentar zu Reichstagssitzung 353

Das Rheinland ist von französischen und belgischen Truppen besetzt, ebenso das Ruhrgebiet. Die deutsche Währung verliert rapide an Wert. Es ist die Hochzeit der Demagogen in den Reihen der Nationalisten und Völkischen genauso wie in denen der Linken. Die ideologischen Grabenkämpfe verschärfen sich. Es drohen wiederholt Aufstandsbewegungen bis hin zum Bürgerkrieg. In dieser Situation mahnt der Rheinländer v. Guérard (Zentrum) vergeblich zur politischen Geschlossenheit aller im Reichstag. Einen der Hauptübeltäter sieht er bei den Nationalsozialisten und Völkischen, an deren Spitze Hitler und von Graefe stehen. Sie schütten mit ihrer Demagogie noch Öl ins Feuer, in der Absicht, den inneren Konflikt auf die Spitze zu treiben und ihn auch offen, das heißt mit Waffengewalt, auszutragen, um dann auf den Ruinen den neuen völkischen Staat aufzubauen. Mit anderen Worten: Sie betreiben ganz gezielt Katastrophenpolitik, weil sie wissen, nur das Chaos gibt ihnen die Chance wirklich an die Macht zu kommen. Die ideologischen Trittbrettfahrer hierbei sind die Deutschnationalen. Wie sehr der Antisemitismus bei den Völkischen dabei Agitationsvehikel ist, belegt diese Reichstagsdebatte einmal mehr. Bei den Kommunisten und deren radikale Bestrebungen sieht er den Landesverrat, weil diese sich, wie er sagt, von Franzosen und Belgiern im Ruhrgebiet unterstützen ließen und so eventuellen separatistischen Tendenzen Vorschub leisteten.

Interessant ist Oesers Hinweis auf die "Wannsee-Versammlung", die zwischen völkischen (Roßbach) und Reichswehroffizieren stattgefunden hat. Es sollte erörtert werden, wie man einem Verbot der nationalen Verbände und Parteien entgegenwirken könne. Das Ziel war offenbar zu sondieren, wie weit die Reichswehr einen bewaffneten Umsturz unterstützen würde. Es zielte auf die Erledigung des demokratischen Staates ab, den sie als "marxistisch-jüdischen internationalen Saustall" bezeichneten (Abg. Henke, SPD weist darauf hin). Der Hinweis auf "Wannsee" ist natürlich wegen der im Jahre 1942 stattgefundenen "Wannseekonferenz" von Interesse, da ja dort später auch die "Endlösung" der "Judenfrage" beschlossen worden ist. Das Ruchbarwerden der Wannsee-Versammlung und dem, was dort von völkischer Seite aus geplant war, war auch der letzte Anlaß für ein Verbotsverfahren gegen die völkischen und nationalen Verbände.

Literaturhinweise

Video-Clip The Weimar Republic - 1923(4 Min. 20 Sec.)