Erläuterungen zur Sitzung Nr. 78, 1. Legislaturperiode
In der Sitzung Nr. 77 hatte die DNVP den Antisemiten Bruhn reden lassen,um das antisemitisch-völkische Lager
weiterhin an die DNVP zu binden.
In dieser Sitzung zeigt Kahmann (SPD) auf, wie Vertreter der Industrie (van den Kerkhoff) den Antisemitismus
als Druckmittel - Denunziation des Mitbewerbers - zur Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen Interessen nutzen.
Zudem nutzt die DNVP die antisemitische Agitation gegen die Idee der Gemeinwirtschaft(SPD; Stinnes Legien-Abkommen).
Die "Deutschen Werke" waren 1919 verstaatlicht worden. (Siehe Link in Info RT 77)
Gerade in den Sitzungen 77, 78 und 81 zeigt sich die Multifunktionalität des Antisemitismus für die DNVP. Sie sah
in ihr ein wesentliches Agitationsmittel, um größere Wählermassen für die Partei der ehmals Deutschkonservativen
zu gewinnen. Antisemitismus war ein Mittel der "Sammlung" aller bürgerlichen Kräfte gegen links. Die Wurzeln hierzu
liegen im Kaiserreich Wilhelm II.
Den Antisemitismus als Druckmittel und der politischen Erpressung war schon während der Verhandlungen des Dt. Reiches mit der
Entente im belgischen Spa Juli 1920 versucht worden. Hier hatte Hugo Stinnes versucht, seine Interessen gegen Walter Rathenau
mittels Androhung "antisemitischer Kämpfe" durchzusetzen.
Diejenigen, die, wie van den Kerkhoff oder Stinnes, den Antisemitismus als Instrument zur Verfolgung ihrer privatwirtschaftlichen
als auch politischen Interessen einsetzten, mußten ihrerseits, nicht wie der Abg. Bruhn, auch Antisemiten sein. Sie
wußten ihn "lediglich" für sich zu nutzen und gaben ihm dadurch zusätzliche "Substanz". Die dann wiederum von den
Antisemiten dankend aufgenommen wurde.
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