1. Reichstag, Weimarer Republik


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Reichstag. - 78. Sitzung. Dienstag den 8. März 1921.

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78. Sitzung. [i]


Dienstag den 8. März 1921


Präsident: Zu der fortgesetzten Aussprache hat das Wort der Herr Abgeordnete Kahmann.

Kahmann, Abgeordneter:1 Meine Damen und Herren! Wenn nun die Tätigkeit des Herrn Reichsschatzministers von Erfolgen für die Gemeinwirtschaft fast oder völlig frei ist, so hätte er doch beinahe einen vollen Agitationserfolg mit den Deutschen Werken gehabt.2 Nachdem in der Presse die Stimmung genügend beeinflusst worden war, wurde der Herr Reichsschatzminister plötzlich im Haushaltsausschuß von dem Kahn-Vertrag entbunden. In großer Entrüstung ließ sich der Herr Minister über den geschlossenen Vertrag aus. Und siehe da: die ganze rechtsstehende Presse hat sich in ungewöhnlich starker Weise veranlasst gesehen, den mutigen Wiederaufbauminister, der tapfer durchgreift, zu feiern. Sie tat das in Sonderheit wohl um deswillen, weil der Vertrag das Stichwort Kahn hatte, und da alle Verträge und alle Geschäfte die von Angehörigen jüdischen Glaubens getätigt werden, naturgemäß in anderem Licht erscheinen, als wenn sie von Christen getätigt werden, so glaubt man, aus jenem Falle eine größere antisemitische Hetze inszenieren zu können. Ich erkläre von vornherein, daß auch meine Fraktion durch ihre Redner zum Ausdruck gebracht hat, daß sie keineswegs damit einverstanden sein kann, daß der Vertrag ohne Anhörung des Aufsichtsrats abgeschlossen worden ist. Aber wir müssen mit aller Entschiedenheit ablehnen, daß hier differenziert wird zwischen Verträgen, die mit Christen, und solchen, die mit Juden abgeschlossen werden. Damals, als der Kahn-Vertrag zur Erörterung stand, da sah es bald so aus, als ob dem Herrn Reichsschatzminister in ganz kurzer Zeit der sogenannte Antisemitenorden ausgehändigt werden sollte. Und wenn der Herr Reichsschatzminister gestern hier erklärte, daß er ungern noch auf den Kahn-Vertrag eingehe, so gestatten Sie mir, zu erklären, daß ich dafür volles Verständnis habe. Und wenn Sie (zum Reichsschatzminister) gestern dem Direktorium eine starke Anerkennung ausgesprochen haben, daß sie mit dessen Leistungsfähigkeit durchaus einverstanden sind, so kann ich nicht verfehlen, darauf hinzuweisen, daß Ihre früheren


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2S. 2745C

Äußerungen im Haushaltsausschuß ganz anders geklungen haben.

(Hört! Hört! bei den Sozialdemokraten.)

Vor Tisch las man's auch hier anders. Wenn ich mich im Geiste in jene Sitzung zurückversetze, in der zunächst über den Kahn-Vertrag gesprochen wurde, so habe ich den Eindruck, als ob die Absicht bestand, mit den Deutschen Werken und der Direktion möglichst schnell aufzuräumen. Diese meine Ansicht wird auch durch den Bericht bestärkt, der da abgefasst worden ist und in dem ein Satz außerordentlich gravierend ist für die Stellungnahme, die der Herr Reichsschatzminister damals eingenommen hat. Darin heißt es: der Vertrag zeige ein ungeheuerliches Maß von Geschäftsunkenntnis und gesellschaftlicher Leichtfertigkeit.

(Hört! Hört! bei den Sozialdemokraten.)

Ich meine, wenn ein derartiges scharfes Urteil gefällt worden ist, müssen doch außergewöhnliche Umstände eingetreten sein, aus denen sich nunmehr eine ganz andere Stellungnahme des Herr Reichsschatzministers ergeben hat, und ich glaube allerdings auch, daß in weitgehendem Maße ein Frontwechsel bei dem Herrn Reichsschatzminister eintreten musste. Da muß man doch die Frage aufwerfen: Wie konnte überhaupt ein derartiges sogenanntes Panama eintreten? Worauf war es zurückzuführen, daß das Reichsschatzministerium von wichtigen Dispositionen der deutschen Werke nicht in Kenntnis gesetzt worden ist? Meines Erachtens darauf, daß dem Herr Reichsschatzminister nicht genügend einwandfreie Berichte über das gegeben worden sind, was die Deutschen Werke im allgemeinen anging, und ich kann mich durchaus nicht des Eindrucks erwehren, als ob hier dunkle Kräfte am Werke gewesen sind, die bestrebt waren, das Fundament der Deutschen Werke überhaupt zu zerschlagen

(sehr richtig! bei den Sozialdemokraten)

und um dadurch gar kein Experiment größeren Stils der Sozialisierung, wenn wir es so nennen dürfen, in Deutschland stattfinden zu lassen. Ich knüpfe daran die selbstverständliche Erwartung, daß der Herr Reichsschatzminister für die Folgezeit Sorge trägt, daß ihm einwandfreier Bericht über das, was in den Deutschen Werken vorgeht, die ein Riesenbetrieb sind, ununterbrochen gegeben wird.

(Zuruf von den Sozialdemokraten: Da müssen erst andere Beamte hin!)

Das Ergebnis der Verhandlungen über den Kahn-Vertrag und die Deutschen Werke war doch letzten Endes, daß anerkannt wurde, daß die Direktion zwar ohne Recht eigenmächtig den Vertrag mit Herrn Kahn abgeschlossen hat, daß die Direktion aber alles versucht hat, um für den überflüssigen Maschinenpark die höchsten Preise überhaupt zu erzielen. Wie war es denn? Die Deutschen Werke haben eine ungeheure Menge von Maschinen frei, die zum Verkauf gebracht werden sollen. Sie sahen sich genötigt, diese Maschinen und den Schrott in aller Öffentlichkeit an die Interessenten in günstigster Weise zu bringen, sie wollten die Maschinen im


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