1. Reichstag, Weimarer Republik


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geschenkt. Ebenso hat es auch meine Partei getan und auch die Regierung des Ministerpräsidenten v. Kahr. steht wahrscheinlich auf dem gleichen Standpunkt, daß man nämlich nicht einem jeden Käseblättchen, das irgendein halbverrückter Mensch herausgibt, eine größere Bedeutung beimessen soll. Daß dem Blatt überhaupt eine Bedeutung beikommen konnte, daran tragen Sie (nach links) die Schuld; denn Sie machen die Reklame für dieses Blatt. Sie helfen den Redakteuren und Verlegern, daß sie noch mehr Schmutz und terroristische Artikel schreiben können, als es bisher geschehen ist.

(Sehr richtig! bei der Bayerischen Volkspartei.)

Für die Reklame, die sie sowohl für den "Völkischen Beobachter" wie für den "Miesbacher Anzeiger" gemacht haben, dürfen Ihnen die Redakteure und die Verleger ein Dankschreiben schicken.

(Sehr gut! Im Zentrum und rechts. - Unruhe links.)

Ich stelle ausdrücklich fest, wir haben mit dem "Völkischen Beobachter" nichts zu tun, wir verurteilen die Schreibweise und Propaganda,

(Zurufe links)

wie sie dort getrieben wird mit den schärfsten Ausdrücken genau, wie Sie es selbst tun. Es wird sich jetzt herausstellen müssen, ob man das Blatt ernst nehmen kann oder nicht.

(Zurufe links.)

Von dieser Auffassung hängt es ab, ob die bayerische Regierung das Blatt verbietet. Was den "Miesbacher Anzeiger" anbelangt, so ist es ein Privatunternehmen,

(Heiterkeit links)

es steht mit der Partei in gar keiner Beziehung. Ich kenne den Besitzer des "Mießbacher Anzeigers" und ich weiß, daß er während der Revolution furchtbar viel von Seiten der Kommunisten ausstehen musste.

(Sehr wahr! links.)

Es ist bis zu einem gewissen Grade eine Vergeltung

(Abgeordneter Kuhnt: das ist Ihre christliche Rachepolitik! - Heiterkeit in der Bayerischen Volkspartei und rechts)

für das, was die Kommunisten ihm mit der Drohung mit dem Erschießen,

(Lachen links)

mit dem verderben seines Geschäftes angetan haben.

(Zurufe von den Kommunisten.)

Ich möchte diese Tatsache hier objektiv feststellen, ohne aber mit seiner gesamten Schreibweise, ohne mit der Ausartung in dem Blatte jemals einverstanden zu sein.

(Zuruf von den Vereinigten Kommunisten.)

Der "Miesbacher Anzeiger" bringt aber oft satirische Artikel, die nicht nur den Kreisen von rechts gefallen, sondern die sehr fleißig auch auf der linken Seite gelesen werden und über die man sich eifrig unterhält. Ich bin der Meinung, man sollte den beiden Blättern nicht soviel Ehre antun, sie bei jeder Gelegenheit in den Zeitungen und im Parlament zu zitieren, dann würden sie auf ihren Einflusskreis, der sehr eng ist, begrenzt bleiben und dann würden Sie (nach links) sich die unnötige Entrüstung ersparen können.


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Ich möchte aber auch darauf hinweisen, daß die Regierung in Bayern selbstverständlich dafür zu sorgen hat, daß Angriffe, wie sie in den letzten Wochen in den Blättern gegen die Reichsregierung und gegen die Autoritäten geführt wurden, unter allen Umständen unterdrückt werden müssen. Dies muß sowohl gegenüber den Angriffen von links als von rechts geschehen.

(Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)

Sie, meine Herren von der äußersten Linken, haben ja gar keinen Grund, sich zu beschweren;

(sehr richtig! in der Mitte und rechts)

denn was die "Rote Fahne" und Ihre Blätter zusammenschreibt,

(sehr richtig! in der Mitte und rechts)

das bringt kein "Miesbacher Anzeiger" und bringt auch kein "Völkischer Beobachter" fertig.

(lebhafte Zustimmung in der Mitte und rechts.)

Glauben Sie den wirklich, daß das deutsche Volk so vergesslich ist, daß es nicht mehr weiß, was diese Blätter in Deutschland schon alles angerichtet haben?

(Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)

Wir wissen es doch alle selbst, wir leben ja förmlich unter dem Eindruck des Geschehens, der Revolution in Thüringen, in Bayern, im Ruhrgebiet und wir stehen ja noch ganz unter dem Eindruck der Aufstände und der Menschenverluste in Mitteldeutschland,

(sehr richtig! in der Mitte und rechts)

und wenn Sie trotz all den Vorgängen, die sie selbst angezettelt haben, den Mut haben, sich hier zu entrüsten über einen einzelnen Mord,

(Zuruf links: Einzigen Mord? Wieviel müssen es denn sein?)

- den einzigen Mord, wie er hier vorliegt, dann ist das eine elende Heuchelei.

(Lebhafte Zustimmung in der Mitte und rechts.)

Meine Damen und Herren (nach links), Sie haben ja immer nach der Pressfreiheit gerufen. Ich kann mich ja sehr weit zurückerinnern. Ich stehe ja 25 Jahre in der Arbeiterbewegung,

(Zurufe links)

ich weiß es. Sie haben jedenfalls am meisten nach der unbeschränkten Pressfreiheit geschrieen, und merkwürdigerweise sind es Sie wieder zuerst, die danach rufen, daß der Presse ein Maulkorb angehängt wird.

(Lebhafter Widerspruch auf der äußersten Linken.)

Wenn man die sozialistische Presse ununterbrochen die Regierung Kahr beleidigt, angreift und verdächtigt, so finden Sie das vollkommen in der Ordnung. Nur wenn einer wagt, einmal nach links auszuhauen, dann sind die Herren so empfindlich, daß man es kaum verstehen kann.

(Sehr richtig! rechts.)

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