1. Reichstag, Weimarer Republik


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Was speziell die Frage der Brotpreiserhöhung betrifft, mit der in letzter Zeit ebenfalls eine außerordentlich starke Agitation getrieben worden ist, so möchte ich darauf hinweisen, daß der erste Grund für das Ansteigen des Brotpreises darin zu suchen ist, daß das Reich nicht mehr in der Lage gewesen ist, die Verbilligungsaktion wie im vorigen Jahre durch-zuführen. Wir sind einfach nicht mehr im Stande, heute noch 10 Milliarden für Brotverbilligung bereitzu-stellen, und wir wissen genau, daß die 3 ½ Milliarden, die der Reichstag bewilligt hat, nur ein ganz kleiner Betrag sind, um eine nennenswerte Verbilligung durchzuführen. Meine Damen und Herren!4 Wir haben hier über die Gründe der Teuerung gesprochen, und ich glaube das Wichtigste ist, bei dieser Gelegenheit die Frage zu prüfen, wie wir am besten die Teuerungsrate beseitigen und wir es verhindern daß in Zukunft noch einmal eine solche Teuerung über Deutschland hereinbricht. Wenn wir uns auch über die Gründe der Teuerung nicht einig sein sollten, so sollten wir uns doch einig indem Gedanken finden, daß nur die Steigerung der Leistungen in der Landwirtschaft uns die Möglichkeit geben wird, mehr und damit auch billigere Erzeugnisse auf den Markt zu bringen. Nach unserer Auffassung führt nur über die Intensivierung der Wirtschaft und die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion der Weg zu besseren Lebensverhältnisse in Deutschland. Dazu aber brauchen wir genügende Mengen von Produktionsmitteln. Dazu brauchen wir aber auch die Sicherung der Arbeit auf dem Lande.

(Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei.)

Meine Damen und Herren! Wenn ich Sie daran erinnere, daß fast kaum eine Woche vergeht, wo nicht da oder dort ein landwirtschaftliches Gehöft in Flammen aufgeht,

(hört! hört! auf der äußersten Linken und rechts. - Zuruf von den Kommunisten: Beweise!)

- die scheinen Sie besonders nötig zu haben! -

(sehr gut! rechts)

so werden Sie verstehen, daß die Sicherung der landwirtschaftlichen Arbeit zu einer Notwendigkeit geworden ist.

(Lebhafte Zustimmung rechts.)

Ich kann für meine Partei und, ich glaube auch für die Landwirtschaft dem Gedanken Ausdruck geben, daß wir, je größer die Not unseres Vaterlandes ist, um so bereitwilliger sind

(Lebhafte Unruhe und Zurufe bei den Kommunisten)

zu arbeiten, auf daß unser Volk sein Brot erhält.

(Beifall bei der Deutschen Volkspartei.)

Präsident: Das Wort hat der Abgeordnete Trieschmann.

Trieschmann, Abgeordneter:5 Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man in den letzten Jahren, Monden und Wochen in die Abwicklung der parlamentarischen Geschäfte und in unser


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innenpolitisches Leben hineinschaute, musste man den Eindruck gewinnen, als ob unser Volk am inneren Zwist und am Parteiegoismus zu Grunde gehen müsste. Wenn die eine Seite immer wieder die auswärtige schwierige Lage, in die wir durch den verlorenen Krieg hineingekommen sind, auszunutzen sucht, indem sie im Volke den Glauben zu wecken sucht, daß es nur eines großen, weitsichtigen Staatsmannes bedürfe, und wir wären allen Schwierigkeiten enthoben oder wenn die andere Seite, wie das in der letzten Plenarsitzung hier zum Ausdruck kam, unsere schwierige Lage in der Volksernährung parteipolitisch auszunutzen trachtet, dann glauben wir von den Deutschen Demokraten dagegen Stellung nehmen zu sollen, die wir immer auf dem Standpunkt gestanden haben, daß es eine Versündigung an unserem Volke bedeutet, die bedrängte Lage, in der unser deutsches Volk lebt, zu parteipolitischen Zwecken zu missbrauchen. Es ist nicht die Zeit, wo man in unser Volk hinausrufen sollte: hie Bauer, hier Bürger, hie Arbeiter, um sie gegeneinander auszuspielen, wobei doch nur der Berufsegoismus der Produzenten sowohl wie der Konsumenten angeregt wird oder der Parteiegoismus auf seine Rechnung kommt.

(Sehr richtig! Bei den Deutschen Demokraten.)

Die Frau Abgeordnete Wurm hat in der letzten Plenarsitzung mit so beredten Worten die Not und das Elend unseres deutschen Volkes geschildert, und sie hat dann gegen uns, gegen das Bauerntum, gegen die Landwirtschaft, den Vorwurf erhoben, daß wir absolut kein Verständnis für die Not des deutschen Volkes hätten. Ich kann demgegenüber gleich meinem Vorredner, dem Herrn Abgeordneten Hepp, auf die Hilfsaktionen, die von der Landwirtschaft in Szene gesetzt sind, hinweisen. Schon mehr als eine Million verbilligter Kartoffeln sind zum Preis von 30 Mark für die minderbemittelten Volksschichten zur Verfügung gestellt worden. Wir wissen, daß es weite Volksschichten gibt, und zwar die Volksschichten, die nicht innerhalb des Produktionsprozesses stehen, über die die Zeit gewissermaßen wie eine Dampfwalze hingeht. Wir sehen die Not und versuchen von seiten des Bauerntums aus, hier einzugreifen und die Not lindern zu helfen.

(Bravo! Bei den Deutschen Demokraten.)

Präsident: Das Wort hat der Herr Reichswirtschaftsminister.

Schmidt, Reichswirtschaftsminister.6 Meine Damen und Herren! Die Interpellanten haben bewegte Klage über die enorme Preissteigerung geführt, die wir in den letzten Monaten zu verzeichnen haben, und sie haben sehr recht mit ihrer weiteren Beschwerde, daß diese Preissteigerung nicht in allen Fällen eine objektive Begründung findet. Ich bedauere, daß wir diese Preissteigerung in den letzten Monaten zu verzeichnen haben, und sehen mit banger Sorge der Zukunft entgegen; denn ich weiß, daß diese Preissteigerung noch nicht ihren Abschluß gefunden hat. Es ergeben sich natürlich für unser Wirtschaftsleben nicht nur auf dem Gebiet des Lebensmittelmarktes sondern auch sonst auf dem Warenmarkt ganz unbegründete Preissteigerungen, die ihre Rückwirkung auf unser


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