1. Reichstag, Weimarer Republik


Zurück zu RT-Übersicht oder Zurück zur Homepage


Reichstag. - 244. Sitzung. Mittwoch den 5. Juli 1922

Seite 233

A B

244. Sitzung. [i]


Mittwoch den 5. Juli 1922


Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Silberschmidt.1

Silberschmidt, Abgeordneter: Meine Damen und Herren! Für mich als Vertreter der Sozialdemokratischen Partei kommt es in diesem Augenblick darauf an, nachzuweisen, daß die Ursachen, die uns nötigen, zu der heutigen Gesetzesvorlage Stellung zu nehmen, außerordentlich betrübliche Erscheinungen im Leben unserer deutschen Republik sind, der Republik, die schwer bedroht ist und die durch die Ausnahmegesetze geschützt werde soll, das gegenüber jenen Kreisen, die die Republik gefährden, also gegen rechts, angewandt werden soll. Das Gesetz soll gegen Personen und Vereinigungen, zu deren Zielen gehört, die republikanischen Regierungen zu gefährden, ihre Mitglieder zu töten und Gewalt gegen die republikanische Staatsform zu gebrauchen, angewendet werden. Der Gesetzesentwurf richtet sich also in der Tat nicht gegen eine Gesinnung, sondern gegen Personen und Vereinigungen, die sich außerhalb des Gesetzes stellen und mit den schlimmsten Mitteln der Bedrohung, der Beschimpfung, der Gewaltanwendung bis zum Meuchelmord die Republik und die Staatseinrichtungen beseitigen möchten. Es handelt sich also im gegenwärtigen Augenblick um ein Werk der Verteidigung der Republik, die von dunklen Mächten bekämpft wird, von Mächten, die sich zum Ziel setzen, die alte monarchische und militaristische Regierungsform, den Obrigkeitsstaat wieder erstehen zu lassen.

(Sehr richtig! Links.)

Gegen diese Form der absoluten Vernichtung des neuen Staatswesens gilt es, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, Maßnahmen, die geeignet erscheinen, die neue Form des Staatslebens zu schützen. Die junge Republik ist seit ihrem Bestehen, man möchte sagen, unausgesetzten und konzentrierten Angriffen von der rechten Seite ausgesetzt gewesen,

(Zustimmung links.)

beginnend mit der Beschimpfung und Verleumdung der leitenden Persönlichkeiten der Republik. Die kindischsten und närrischsten Verdächtigungen werden ausgestreut, um zunächst die Person verdächtig zu machen und mit den Personen dann die Republik selbst und ihre Einrichtungen in der Achtung im In- und Ausland herabsetzen.

(Sehr wahr! links.)

Diese Art, aus gedeckten Lagern und aus dem Versteck vergiftete Pfeile auf die Träger des


1Bd. 356, S.8289A

republikanischen Gedankens zu richten, ist im gewöhnlichen Leben, wenn es von Mensch zu Mensch geht, eine der schimpflichsten und verwerflichsten Methoden, und sie ist um so verwerflicher, wenn sie sich gegen im republikanischen Staate tätige Personen und gegen die Einrichtungen dieses Staates richtet.

(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)

Nachdem der Boden so vorbereitet und die Vertreter der neuen Staatsidee mit diesen gemeinen Mitteln in der Achtung ihrer Mitmenschen herabgesetzt waren, ging man weiter und hat gleichzeitig alle Organe, auf die man Einfluß hatte, dazu benutzt, diesen Gedanken zu verbreitern und selbst die unschuldigste Jugend in den Schulen mit diesem Gift und diesen Verleumdungen zu erfüllen.

(Erneute Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Eine solche Handlungsweise zeugt nicht von edler Gesinnung, sie zeugt von einer Gesinnung niedrigster Art; denn man muß wissen, daß diese Verleum-dungen falsch sind, und der Träger und Verbreiter ist sich bewußt, bewußt die Unwahrheit gesagt zu haben. Über diese Dinge hinaus ist uns ja allen bekannt, daß alle Organe des alten Staates und alle Träger der alten Idee, die noch in ihren Ämtern sitzen dazu benutzt worden sind, gegen die Republik und ihre Einrichtungen und gegen die führenden Personen das gleiche Manöver weiter zu betreiben, bis der Boden vorbereitet war, um schließlich zu persönlichen Angriffen auf Leben und Gesundheit der Träger dieser Einrichtung überzugehen. Es ist klar ersichtlich, daß durch die Ermordung und Bedrohung der Personen die Republik getroffen werden soll,2

(sehr richtig! Bei den Sozialdemokraten)

daß ihr Ansehen geschwächt, in der Achtung des In- und Auslandes herabgesetzt und des Vertrauens beraubt werden soll, um dann umso leichter beseitigt zu werden. Erst die Führer, dann die Republik - daß ist die Tendenz, die sich in diesen Handlungen zeigt, und diese Tendenz tritt auch im jungen Leben unserer Republik durch die verschiedensten Vorgänge zu Tage, die wie blutige Wahrzeichen in der Geschichte der Republik weiterleben werden. Diese Zeichen gehen in gerader Linie von der Ermordung Eisners, Gareis' über Erzberger bis zu Rathenau. Die Bevölkerung. Die die Republik als die richtige Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens ansieht, hat bisher eine außerordentliche Langmütigkeit bewahrt,

(lebhafte Zustimmung links)

und es ist zu bewundern, daß die Anhänger dieser neuen Idee und Staatseinrichtung, insbesondere jene Anhänger, die ein Lebenlang für die Anerkennung der gesellschaftlichen Einrichtung mit Einsetzung ihrer Gesundheit, ihres Wohlergehens gekämpft haben, bisher diese Langmütigkeit bewahrt haben.

(Sehr richtig! Bei den Sozialdemokraten.)

Nun aber ist es genug, und wir dürfen mit großer Befriedigung zum Ausdruck bringen, daß die unwiderleglichen beweise dafür vorhanden sind, daß


2S.8289D

nächste