1. Reichstag Weimarerer Republik


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Inzwischen hat zwar dieser Fall ein etwas anderes Gesicht bekommen, und wenn der Reichstag noch einmal zu entscheiden hätte, würde die Entscheidung vielleicht anders ausfallen.

(Sehr richtig! Bei den Sozialdemokraten.)

Leider hat sich bisher kein neuer Staatsanwalt gefunden, der die neuen Straftaten, deren der Abgeordnete Kerkhoff beschuldigt ist, zu verfolgen geneigt wäre. Jedenfalls aber ist die Durchführung des Strafverfahrens gegen den genannten Abgeordneten auf Antrag seiner Freunde durch den Reichstag unterbunden worden. Wir könnten leicht, um so mehr, als auch prinzipielle Gründe dafür geltend zu machen sind, unter Berufung auf diesen Fall auch im Fall Erzberger die Genehmigung der Strafverfolgung ablehnen. Aber der Abgeordnete Erzberger wünscht selbst aus begreiflichen Gründen dringend die Genehmigung dieses Antrags, und seine Fraktion hat, wie schon bemerkt, im Ausschuß sich diesem Wunsche angeschlossen. Ich glaube namens meiner Freunde sagen zu dürfen - obgleich darüber eine Fraktionsentscheidung nicht vorliegt - , daß sie bereit wäre, den Antrag abzulehnen, wenn sich eine große Mehrheit im Hause für diese Ablehnung fände und wenn diese Mehrheit zugleich bereit wäre, auszusprechen, was wir nach Lage der Sache für unentbehrlich erachten, daß der aus politischer Feindschaft erweckte Verdacht gegen den Abgeordneten Erzberger unbegründet ist.

(Unruhe rechts.)

Der Berichterstatter Dr. Kahl hat zwar dringend davon abgeraten, ein Urteil über die Sache selbst hier zu fällen. Angesichts der Vorgeschichte und der Begleitumstände dieser Aktion aber kann man der Versuchung unmöglich widerstehen, auch ein Urteil über die Motive und die Art der Vorwürfe, die hier erhoben worden sind, zu fällen. Meine Damen und Herren, mit der Verweigerung der Genehmigung des Strafverfahrens allein würde dem Abgeordneten Erzberger aber nicht gedient sein; denn wenn man es dabei bewenden ließe, so würden natürlich sofort wieder alle Zungen zischeln.

(Sehr richtig! Bei den Sozialdemokraten.)

Im ganzen Deutschen Reich würde sofort aufs neue die Hetze beginnen.

Präsident: Das Wort hat der Herr Reichsfinanzminister. 8

Dr. Wirth, Reichsfinanzminister: Meine Damen und Herren! Viel schwieriger- und ich stehe nicht an, dies hier zu erklären -
war für mich die Frage einer etwaigen Kapitalverschiebung ins Ausland. 9 Die Frage ist eine außerordentlich schwierige, weil der Herr Abgeordnete Erzberger, wie Sie wissen, eine umfangreiche politische Tätigkeit im Dienste des Reiches während des Krieges ausgeübt hat. Ich habe aber unter Wahrung


8S. 3595B
9S. 3595D
vorige

der gebührenden Vertraulichkeit im Steuerausschuß darüber vertraulich Mitteilung gemacht. Ich habe dort sogar die Zahlen genannt, die bei der Untersuchung gegen den Herrn Abgeordneten Erzberger wegen Verbringung von Kapitalien ins Ausland in Betracht kommen. Die Kapitalverbringung ins Ausland - darüber ist kein Zweifel - hat stattgefunden. Ich möchte feststellen, daß Herr Erzberger Kapital ins Ausland verbracht hat. Meine Untersuchung hat sich also darauf zu erstrecken, inwieweit hier etwa vorhandene Bestimmungen verletzt worden sind, und ob der Herr Abgeordnete Erzberger berechtigt war, die von mir damals genannten Beträge in das Ausland zu verbringen. Es ist nicht möglich, die einzelnen Kapitalien hier zu nennen oder gar die Zweckbestimmung nach den Aussagen des Herrn Erzberger hier vorzutragen; das werden Sie mir erlassen. Ich habe aber Veranlassung genommen, das Auswärtige Amt zu bitten, dieser Frage nachzugehen und auch mit den Herren des Auswärtigen Amtes, die damals dort die zuständigen Referenten waren, diese Sache zu prüfen. Ich habe im Ausschuß, um das noch ergänzend hinzuzufügen, seinerzeit wörtlich gesagt, daß ich noch nicht in der Lage sei, die Antwort zu geben. Diese Antwort ist jetzt da. Ich habe vom Herrn Minister Dr. Simons unter dem 3. Mai folgende Antwort bekommen, die ich Ihnen zur Vorlesung bringe:

Es ist zutreffend, daß im Auftrage des Auswärtigen Amtes durch Vermittlung des Reichstagsabgeordneten, späteren Reichsfinanzministers Erzberger Geldsummen für politische Zwecke nach dem Ausland überwiesen worden sind, die Herr Erzberger gemäß der ihm erteilten Weisungen verwandt hat.

(Hört! Hört! links.)

Herr Erzberger hat also in diesen Fällen, die ich im Ausschuß berührt habe, die Vermittlung auf Ersuchen des Auswärtigen Amtes übernommen, und er hat die Weisungen des Auswärtigen Amtes ausgeführt.

(Hört! Hört! im Zentrum.)

Diese Mitteilung des Auswärtigen Amtes, die mir unter dem 3. Mai zugegangen ist, lege ich nachher auf den Tisch des Hauses nieder. Ich enthalte mich jeder weiteren Bemerkung dazu. Damit ist die Frage der Kapitalverbringung für mich als Reichsfinanzminister erledigt. Ich habe in der Frage der Kapitalverbringung, die eine Reichsangelegenheit ist, keinen Anlaß, der Staatsanwaltschaft einen Antrag zu stellen.

Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Graef (Thüringen.10

Greaf, Abgeordneter: Meine Damen und Herren! Schließlich noch ein Wort zu der angeblichen


10S. 3598C

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