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man überhaupt eine solche Eventualität aussprechen kann. Ja, wenn die Akten nur fortgewesen wären und plötzlich wieder dagelegen
hätten, dann ließe sich ja zur Not darüber reden; aber die Akten sind photographiert worden. Das beweist also doch, daß man sie
widerrechtlich entwendet hat.
(Heiterkeit.)
Wie man da noch erklären will, der Diebstahl sei nicht festgestellt, da ist für mich schlechterdings unerfindlich.
Das zweite, was der Herr Abgeordnete Graef in dieser Richtung ausgeführt hat, ist ja durch die Zwischenrufe aus dem Hause
schon genügend gekennzeichnet worden.15
Er sagte, Herr Erzberger habe fremde Gelder in die Tasche gesteckt. - Oh! Wie wird er
so etwas sagen! Er ist doch kein Verleumder; es sagt nur: man redet draußen, es gibt Leute, die sagen, Herr Erzberger habe
Geld in seine Tasche gesteckt, und ich als Mann des Rechts, als Jurist, habe das größte Interesse daran, daß dieser unglückliche
Erzberger sich von dem schweren verdacht reinigen kann. Herr Abgeordneter Graef, darf ich mit einer Gegenfrage antworten?
Was würden Sie und Ihre Freunde sagen, wenn ich jetzt erklärte: es gibt Leute draußen, die sich erzählen, daß dem Herrn
Abgeordneten Helfferich das Honorar für Artikel, die in der argentinischen Zeitung für sehr gutes Geld veröffentlicht,
auf eine Schweizer Bank angewiesen wird.
(Hört! Hört! Links.)
Was würden Sie sagen, wenn ich erkläre, es gibt Leute, die behaupten, daß er die 150 Dollar pro Artikel, die auf die Schweizer
Bank angewiesen werden, in Deutschland nicht versteuert? Das würde einen Sturm der Entrüstung bei Ihnen auslösen.
(Zuruf rechts: Wir sind ja ganz ruhig!)
- Jetzt sind Sie nicht mehr entrüstet, nachdem der Herr Abgeordnete Graef seine Verdächtigungen ausgesprochen hat.
Ich wiederhole16 noch einmal: die Politik des Herrn Erzberger ist nicht unsere Politik, mit der Person des Herrn Erzberger
haben wir nichts zu tun, und ich bin überzeugt, wenn er wieder in diesem haus erscheint, dann werden wir genötigt sein, sehr
oft die Klinge mit ihm zu kreuzen. Aber das kann uns nicht hindern, in einem bestimmten Fall, wo unserer festen Überzeugung
nach aus parteipolitischen Motiven Verleumdung über ihn verbreitet werden, uns vor ihn zu stellen, genau so gut wie wir uns
vor jeden anderen Abgeordneten, jedes andere Mitglied des Parlaments in solchem Falle stellen würden.
Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Andre.17
Andre, Abgeordneter: Ich möchte an den Faden anknüpfen, den der Herr Vorredner eben gesponnen hat, und den Herrn
Kollegen Helfferich in
15S. 3609A
16S. 3609C
17S. 3619B
vorige
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diesem Zusammenhang nur an einen Satz erinnern, den er am 30. September 1916 - amtliches Protokoll Seite 72 - vor dem Hauptausschuß
des Reichstags damals gesprochen hat, als es sich um die Frage der Durchführung oder Nichtdurchführung des U-Bootkrieges handelte.
Es ist wissenswert, was Herr Helfferich in diesem Zusammenhang damals zu prophezeien beliebte:
Wir müssen uns vor Augen halten: wenn die Karte des rücksichtslosen U-Bootkrieges ausgespielt wird, und sie sticht nicht,
dann sind wir verloren. Dann sind wir auf Jahrhunderte hinaus verloren. Wir kommen, wie die Dinge heute liegen, in den
Krieg mit Amerika. Daß sich Amerika dann in Bezug auf die Kriegsziele vollständig auf die Seite Englands stellen würde,
darüber ist kein Zweifel: welches die Kriegsziele Englands sind, darüber ist auch kein Zweifel:
die politische Unterdrückung und Knebelung Deutschlands und das wirtschaftliche Ducken bis aufs letzte .
(Zuruf rechts: Alles richtig!)
- "Wenn die Karte nicht sticht", das ist alles richtig, wie Herr Abgeordneter Schiele sagt. Dieser Herr Abgeordnete
Helfferich hat aber sechs Wochen später
in demselben Hauptausschuß des Reichstags die uneingeschränkte Durchführung des U-Bootkriegs vertreten!
(Zurufe links: Gewissenlos! - Gegenrufe rechts.)
- Ich bin in der Lage, Ihnen die einzelnen Stellen im Wortlaut vorzulegen. Und der selbe Abgeordnete Helfferich schiebt
alle Schuld an unseren unglücklichen Verhältnissen heute auf die Regierung und die Revolution. Die Karte des U-Bootkrieges
aber, die nicht stach, hat er vergessen.18
(Erneute Zurufe rechts.)
Jawohl, ich anerkenne, es würde uns von der Sache, um die es sich hier handelt, zu weit abführen. Doch der Herr Kollege
Helfferich darf nicht glauben, daß über diese Frage schon das letzte Wort gesprochen ist.
Präsident: Der Antrag. des Ausschusses geht dahin: 19
Die Immunität des Abgeordneten Erzberger für diesen Fall aufzuheben und die Genehmigung zur Strafverfolgung auf Grund des
Art. 37 Abs. 1 der Reichsverfassung zu erteilen.
Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben.
(Geschieht.)
Das ist die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Die Sitzung ist geschlossen.
18S. 3619B
19S. 3622A
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