1. Reichstag Weimarer Republik


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Kommunistenputsches, der erst ein halbes Jahr später stattgefunden hat. Wir sind derzeit noch gegen eine Generalamnestie, aber wir sind für eine Überprüfung der überharten Urteile, die man gegen Teilnehmer des linken Aufstands verhängt hat. Überhaupt möchte ich mit Nachdruck betonen, daß es an der Zeit ist, die Erneuerung des Geistes unserer Justiz herbeizuführen, die immer noch dem Geist des alten Obrigkeitsstaates anhängt. Meine Damen und Herren! Wir haben für die Erfüllung des Ultimatums ungeheure Mittel aufzuwenden. Da hätte ich es doch ganz gerne gesehen, wenn der Herr Reichskanzler über die beabsichtigte Art der Aufbringung dieser ungeheuren Mittel etwas konkreter geworden wäre. Wir warnen jetzt schon aufs stärkste davor, an Programme heranzutreten, die etwa die Hälfte der neuen Lasten durch Verbrauchssteuern aufbringen wollen und die andere Hälfte durch einen schnelleren Lauf der Notenpresse; denn, meine Damen und Herren, die staatliche Geldfabrikation bedeutet nichts anderes als die Abschiebung der Staatslasten auf die breiten Massen, auf die Gehalts- und Lohnempfänger, denen die Inflation den Lohn ihrer harten Arbeit rauben würde, während hingegen die Besitzer von Immobilien und Produktionsmittel eine Wertsteigerung ihres Besitzes zu verzeichnen hätten.

Meine Damen und Herren! Wir sind der Überzeugung, daß wir zur Bezahlung der Reparationskosten auch die Besitzer von Goldwerten heranziehen müssen. Es muß alles erfaßt werden, die Unternehmungen genauso wie Miethäuser und landwirtschaftlicher Grundbesitz. Um auf Dauer die Zahlungen aufbringen zu können, müssen wir auf den gesamten Privatbesitz eine 20prozentige Hypothek aufnehmen, damit nicht allein die Arbeitskraft der Werktätigen für die Kriegskosten aufkommen muß. Landwirtschaft, Großbanken und Unternehmen müssen endlich mit herangezogen werden. Gerade die Landwirtschaft und die Banken haben in jüngster Zeit glänzende Überschüsse abgeworfen und Riesendividenden verteilt. Wir verlangen von den Herrn auf der Rechten, daß sie nicht immer nur von Opfern reden, sondern auch endlich welche erbringen. Die Sozialdemokratie wird an der Aufgabe, die Milliardengelder und Werte aufzubringen, nur mitwirken, wenn die Lasten nicht einseitig über indirekte Steuern auf das werktätige Volk gelegt werden. Wir werden nur mitarbeiten, wenn es auch diejenigen trifft, die während des ganzen Krieges keine Not gelitten haben.

(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.)

Meine Damen und Herren! Die blöde Demagogie der Rechten unterstellt uns, wir verführen nach der Formel: Wir unterschrieben die Forderungen der Entente und der Besitz habe zu zahlen.

(sehr richtig! rechts.)

Nach diesem Rezept handeln wir nicht. Durch den Wertverlust des Papiergeldes ist besonders stark der Besitz kleiner und mittlerer Vermögen zusammengeschmolzen. Auch sind sie von den Steuerlasten


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empfindlich und hart getroffen worden. Ein anderer Teil der Besitzenden, und zwar ein sehr großer, dessen Vermögen in Sachwerten besteht, hat die Wirkung unserer Steuergesetzgebung bisher kaum zu spüren bekommen. Auf dieser Tatsache beruht auch der geradezu unverantwortliche Luxus, der sich heute in provozierender Weise in Deutschland breit macht, und der im Ausland immer und immer wieder als Beweis für die Zahlungsfähigkeit des deutschen Volkes registriert wird. Wir müssen dafür sorgen, daß das Kapital sich nicht durch immer wieder neue finanzielle Manöver den Verpflichtungen entzieht, die es zu erfüllen hat. Hier denken wir besonders an das Aktienkapital.

In Bezug auf die Erfüllung der Ententeforderungen gemäß des Ultimatums halte ich noch eine andere Frage von entscheidender Bedeutung. Die Entente verlangt von uns neben allen anderen Zahlungen an sie auch die Abgabe von 26 Prozent auf alle exportierten Güter. Dabei hat sie das Deutsche Reich verpflichtet, den deutschen Exporteuren die Exportabgabe, die bei der Begleichung der Lieferrechnung direkt vom Empfänger der Waren im Ausland abgezogen werden darf, zu ersetzen. Damit schafft die Entente Ansprüche deutscher Unternehmer an das Reich. Diese kapitalistische Solidarität ist eine Einmischung in die inneren deutschen Verhältnisse, die dazu führt, daß eine wichtige Steuerquelle nicht angezapft werden kann. Wie wir durch unsere Steuerpolitik die Ententeforderungen zu erfüllen trachten, hat der Entente völlig gleichgültig zu sein. Die Exportabgabe wird wenn, von uns erhoben und an die Entente überwiesen. Wenn es so gehandhabt würde, wie die Entente es verlangt, ergäbe sich folgende Situation: je gesunder unsere Wirtschaft wird, je mehr sie exportiert, desto unmöglicher wird das Deutsche Reich die Zahlung des Warenwertes von 26 Prozent an die deutschen Unternehmer leisten können. Beim jetzigen Stand des Exportes würde dies bedeuten, von den 6 Milliarden exportierter Warenwerte dürften die Siegermächte 1,5 Milliarden den Exporteuren abziehen, 1,5 Milliarden, die dann das Deutsche Reich den deutschen Unternehmern zu ersetzen hätte. Steigern wir aber unseren Export auf die Ausfuhr von 12 Milliarden wie vor dem Krieg, so bedeutet dies, daß wir zu den ohnehin zu zahlenden 2 Milliarden Goldmark noch weitere 3 Milliarden jährlich zu zahlen hätten. Meine Damen und Herren! Eine solche Finanzpolitik hätte zur Folge, daß je reicher die Privatwirtschaft würde, um so ärmer würde der Staat.

(Zuruf rechts: Sie haben unterschrieben. Jetzt erfüllen Sie auch so, wie sie unterschrieben haben!)

- Wenn es um den Schutz Ihrer Klientel geht, dann sind sie plötzlich für korrekte Erfüllung,

(Zuruf rechts: Sie haben unterschrieben!)

wenn Sie dem Reich aber Schwierigkeiten mit den Siegermächten bereiten können, dann sind Sie prinzipiell gegen Erfüllung.


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