1. Reichstag Weimarer Republik


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Vizepräsident Dr. Rießer: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Henke.

(Ein Teil der Abgeordneten auf der Rechten verläßt den Saal. - Rufe auf der äußersten Linken: Raus! - Unruhe.)

Ich bitte um Ruhe!

Henke, Abgeordneter: Werte Versammlung!7 Herr v. Braun hat hier von einem Sumpf der Revolution gesprochen. Nun es mag ja sein, daß ein solcher Sumpf besteht. Dann sollte er aber auch von den Sumpfpflanzen gesprochen haben, die in diesem Sumpfe aufgewachsen sind; dann hätte er nämlich von den Kapitalschiebern, wie dem Hohenzollernprinzen Eitel Friedrich sprechen müssen, von dem Steuersaboteur Kerkhoff, der immer noch Mitglied des Reichstages ist, und von ähnlichen Größen. Das sind Sumpfpflanzen, von denen wir hier noch einige aufzählen könnten. Er hat uns glauben machen wollen, daß er das, was er vortrug, auf Grund bester Information vortrüge. Vergessen wir aber nicht: daß sagt ein Mann, der während des Krieges so informiert war, daß wir dahin gelangt sind, wo wir uns jetzt befinden. Es ist wirklich eine Frechheit sondergleichen, die von jener Seite wieder an den Tag gelegt wird, die Welt glauben machen zu wollen, daß die Deutschnationalen, wie sie sich heute nennen, völlig unschuldig seien an dem, was heute ist.

(Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Wenn wir der jetzigen Regierung mit Mißtrauen gegenüber stehen und uns abwartend verhalten, weil wir wissen, heute und morgen ist eine andere, eine bessere Regierung nicht möglich, dann wollen wir aber nicht unerwähnt lassen, daß an allem, was diese Regierung, die von den Leuten um v. Braun angegriffen wird, auslöffeln soll, was die Leute aus der Deutschen Volkspartei und der Deutschnationalen Partei dies uns eingebrockt haben. Wir wollen bei jeder Gelegenheit darauf


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hinweisen, daß sie die Kriegsverlängerer waren, daß sie durch ihre frühere Politik, die alldeutsche Politik, zum Ausbruch des Krieges eminent beigetragen und sich am Krieg bereichert haben, und daß sie die Steuerpolitik der Regierung Fehrenbach, wo sie nur konnten, mit allen Mitteln behindert haben und dies jetzt aufs neue versuchen werden, obwohl Herr Edler v. Braun mit edlem Augenaufschlag versichert: wir wollen uns nicht dem Steuerzahlen entziehen. Er hat davon gesprochen, daß man mit den Machenschaften des internationalen jüdischen Kapitals nichts zutun haben wolle und dergleichen mehr. Daß die Leute in Antisemitismus machen, ist eine Beobachtung, die wir seit Jahren machen konnten; in dem Maße, wie den konservativen Parteien das Verständnis für die sozialen Zusammenhänge fehlt, suchen sie diese und jene Bevölkerungskreise durch andere Mittel hinter sich zu ziehen. Sie glauben, das am besten zu können, indem sie den so genannten Rassenhaß schüren und den Leuten erzählen, die Juden seien schuld an allem. Es ist kein Wunder, daß in der Zeitung des Herrn Wulle diese Regierung schon gestern als eine Judenregierung beschimpft worden ist mit den üblichen Ausdrücken, wie sie Herrn Wulle und seinesgleichen eigen sind.

(Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Was nun die Erklärung der Regierung angeht, so werden wir abwarten, wie sie das Gute, das in dieser Erklärung so spärlich enthalten war, zur Ausführung bringen wird. Sollte unser Mißtrauen gerechtfertigt sein, werden wir diese Regierung bekämpfen und dieses Mißtrauen im Reichstag zum Ausdruck bringen.

(Lebhafter Beifall bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)