Freitag den 30. September 1921
Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hergt:
Hergt, Abgeordneter: Meine Damen und Herren!1 Die Deutschnationale Volkspartei hat eine amtliche Stellungnahme veröffentlicht,
und diese darf ich Ihnen doch einmal hier vorhalten: Wir verurteilen - wir haben das immer getan - jeden politischen Mord wie jeden Mord überhaupt.
(Zuruf links.)
ob nun Erzberger oder sonstwer davon betroffen ist. Jeder, der sich an einem Mord beteiligt, schließt sich, sollte er jemals
zu uns gehört haben, damit aus der Parteigemeinschaft aus.
(Heiterkeit links. - Zurufe rechts.)
Wir verurteilen jede Gewalttat im politischen Kampfe.
(Zuruf links.)
Wir verurteilen jedes gewaltsame Vorgehen insbesondere auch gegen die Verfassung. Wir haben zu jeder Zeit gewarnt vor irgendwelchen Gewalttaten.
(Zurufe links.)
Wir haben klargestellt, daß niemand etwa erwarten könnte, daß wir uns jemals dahinter stellen könnten. Wir haben das noch in
diesen Tagen getan. Sie wissen das. Sie wissen, daß ich mich noch in diesen Tagen habe interviewen lassen. Wir stehen,
kurz gesagt, auf völlig verfassungsmäßigem Boden.
(Große Heiterkeit links.)
Dieses Wort spielt ja wohl jetzt bei gewissen Koalitionsverhandlungen eine große Rolle. Ich möchte nur bemerken, daß wir uns
nach dieser Richtung von keiner der anderen Parteien irgendwie unterscheiden. Wir stehen auf verfassungsmäßigem Boden.
(Zurufe links.)
und wollen auch, daß gewaltsame Verletzungen der Verfassung verhindert werden.
(Sehr richtig! rechts.)
Wir haben von dem Herrn Reichskanzler unter diesen Umständen eine Ehrenerklärung von ihm verlangt. Diese Ehrenerklärung ist
ausgeblieben. Ich möchte mir erlauben, heute dieselbe Bitte an den Reichskanzler zu richten
(Zurufe von den Deutschen Demokraten.)
Aber der Herr Reichskanzler hat ja nun im übrigen auf dieses zentnerschwere Material hingewiesen, das in Bezug auf demagogische
Agitation, Verächtlichmachung der Staatseinrichtungen und dergleichen anwendbar sein sollte. Meine Damen und Herren! Da möchten
wir aber nun doch allerhand Proteste erheben. Wir protestieren zunächst einmal
1Bd. 351, S.4636B
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dagegen, daß etwa der versuch gemacht wird, daß uns irgendwelche Scheußlichkeiten, Abscheulichkeiten die z.B. der Witwe
des Abg. Erzberger gegenüber vorgekommen sein sollen, hier im Reichstag vorgehalten werden. Es handelt sich da um Perversitäten;
man weiß nicht woher das alles stammt, ob es ein Verrückter gewesen ist, der derartige Sachen gemacht hat,
(Zurufe links)
ob sie inszeniert sind, um Unruhe in das Volk hineinzutragen, um das Volk zu verhetzen. Das alles ist aber gleichgültig. Es handelt
sich hier um Abscheulichkeiten. Es ist der Gipfel der Gemeinheit, irgendwie eine Gruppe, irgendeine Persönlichkeit damit belasten
zu wollen und, meine Herren, nach der Richtung ist ja ein versuch nicht gemacht worden.
Wir protestieren aber weiter dagegen, daß uns an die Rockschöße zu hängen versucht wird alles material, was etwa bestehen
könnte, gegen diejenigen Kreise, die ultra rechts, jenseits von uns stehen.
(Heiterkeit und Zurufe links: Gibt es das?)
- Ja, das gibt es! Und ich möchte das nicht nur hier selber feststellen, sondern ich erwarte nach der Richtung von dem Herrn
Reichskanzler eine Bestätigung; denn dem Herrn Reichskanzler ist aus den Verhandlungen, die wir gehabt haben, absolut bekannt,
daß es solche Kreise neben uns gib. Wir wollen nicht, daß der "Miesbacher Anzeiger" den Deutschnationalen angekreidet wird. Der
Herr Reichskanzler weiß, daß es eine große Partei, die nationalsozialistische Partei gibt, die mit uns nichts zu tun hat, die
mit uns im scharfen Kampf steht. Der Herr Reichskanzler weiß, daß es in Berlin eine neue deutschsoziale Partei gibt. Meine
Herren, also nicht solche Fechterkunststückchen!
(Gelächter und lebhafte Unruhe links. - Stürmische Gegenrufe rechts. Große Unruhe.)
Das, was man anderen am Zeug flicken möchte, soll man derjenigen Stelle am Zeuge flicken, bei der die Veranlassung dazu
gegeben ist. Dagegen soll man sich wenden.
(Andauernde lärmende Zwischenrufe. -
Glocke des Präsidenten.)
Wir protestieren weiter dagegen, daß uns - auch der Herr Reichskanzler hat das einmal versucht - etwa Äußerungen auf
unserem Münchener Parteitag entgegengehalten werden. Meine Damen und Herren! Dieser Münchener Parteitag hat nach der
Verordnung der Reichsregierung stattgefunden, und wir befanden uns da im schwersten Kampfe. Wir waren die Angegriffenen.
Wie es in den Wald hineinschallt, so schallt es aus dem Walde heraus.
(Sehr richtig! rechts)
Wir müssen ganz entschieden bestreiten, daß auf den drei Tagen, die ich ja selbst dort geleitet habe, auch nur irgendein Wort
gefallen ist, das nicht sachlich gewesen wäre und das man etwa als demagogisch oder unanständig bezeichnen könnte.
(Gelächter links.)
- Ja, meine Herren, Sie lachen! Bitte, vergleichen Sie einmal andere Parteitage damit!
(Lebhafte Zustimmung rechts.)
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