1. Reichstag, Weimarer Republik


Zurück zu RT-Übersicht oder Zurück zur Homepage


Reichstag. - 201. Sitzung. Montag den 03. April 1922

Seite 194

A B

201. Sitzung. [i]


Montag den 03. April 1922


Interpellation der Abgeordneten D. Mumm und Genossen, betreffend Bekämpfung der Schund- und Schmutzliteratur.

Vizepräsident Dr. Bell: Das Wort hat der Herr Abgeordnete D. Mumm.1

Mumm, Abgeordneter: Meine Damen und Herren! Vor vielleicht 2 ½ Jahren haben wir hier im Hause oben gegen eine geringe Minderheit eine scharfe Entschließung gegen die Masseneinwanderung Stammesfremder aus dem Osten angenommen.

(Lebhafte Zurufe und Unruhe auf der äußersten Linken.)

- Da fühlen Sie sich gleich getroffen. Ich hoffe, daß sich die Erregung von jener Seite der überwiegenden Mehrheit dieses Hauses und unseres Volkes klar macht, in wessen Interesse die ungehemmte Gestattung einer solchen Masseneinwanderung liegt.

(Sehr richtig! rechts. - Fortgesetzte Zurufe von der äußersten Linken.)

Es wäre dringend zu wünschen, daß nachdem durch Jahre hindurch die Beseitigung solcher stammesfremder Einwanderer durch einen gültigen Beschluß dieses Reichstags gefordert ist, nun auch einmal von Seiten des beteiligten Reichsministers Ernst gemacht wird. Sie würden die wachsende Wohnungsnot unseres Volkes ganz erheblich vermindern in dem Augenblick, in dem wir die Gesinnungsgenossen, für die diese Herren jetzt kämpfen, einmal dorthin brächten, woher sie gekommen sind.

(Lebhafte Zustimmung rechts. - Widerspruch und Unruhe auf der äußersten Linken.)

Ich spreche ausdrücklich von der Einwanderung der Stammesfremden. Ganz anders verhält es sich und muß es sich für solche, die Blutsgemeinschaft kennen, mit denen, die als Angehörige deutschen Blutes an der Wolga, von der Ukraine von der Krim her an die Pforten unseres Reiches pochen.2

(Sehr gut! rechts.)

Wenn diese, die von uns ausgegangen sind, jetzt in höchster Not des Leibes und der Seele zurück zur Mutter Germania begehren, so müssen wir diesen gegenüber das tun, was die Pflicht des Deutschen, ja was die schlichteste Pflicht der Menschlichkeit ist. Soweit wie es möglich ist, bin ich durchaus der Überzeugung, daß wir ihnen helfen müssen zum Verbleiben in ihrer osteuropäischen Heimat.


1Bd.154, S. 6823A
2S. 6825A

Soweit sie aber unter den unerhörtesten Schwierigkeiten den Weg bis an die deutsche oder doch bis an die polnische Grenze, an der sie zurückgehalten werden, zurückgelegt haben, müssen wir unsererseits auch suchen, diesen Hilfe zuteil werden zu lassen. Meine Damen und Herren! Es ist unter der Nr. 2961 der Drucksachen von meinen Freunden und mir eine Interpellation eingebracht worden, deren Begründung an dieser Stelle mir obliegt. 3 Bereits am 15. April 1920 beschloß auf eine deutschnationale Anregung hin die Verfassung gebende deutsche Nationalversammlung am Schluß der Beratungen über das Lichtspielgesetz - und zwar meines Wissens einstimmig -, von der Reichsregierung die Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs zur Bekämpfung der Schund- und Schmutzliteratur sowie eines Gesetzentwurfs zum Schutz der Jugendlichen bei öffentlichen Schaustellungen und Darbietungen gemäß der Vorschriften der Reichsverfassung zu fordern. 4 Der vorläufige Präsident des Deutschen Reiches, Herr Friedrich Ebert, hat am 16. Februar 1921 im Blick auf die vielfache Verwüstung des sittlichen Volkslebens den Kanzler ersucht, bei den Regierungen des Reichs und der Länder nachdrücklich darauf hinzuwirken, daß mehr, als bisher geschehen ist, im rahmen der Gesetzesmöglichkeit den Auswüchsen entgegengetreten werde. Die Untätigkeit der Reichsregierung 5 kann man nicht weiter in Ruhe ansehen. Der vorhandene gesetzliche Schutz gegen unsaubere und verrohende Schaustellungen und Schauübungen in Zirkus, Variété und Kabarett - im Wesen so undeutsch wie im Namen -, gegen unsaubere und verrohende Postkarten, Schriften und Schaufenster, gegen Nackttänze und den Schmutz so genannter Familienrestaurants kommt nicht ausreichend zur Geltung. Einige Tatsachen! Am ersten Weihnachtsfeiertage 1920, also an einem der höchsten christlichen Festtage, ließ die unabhängige bolschewistische "Tribüne" in Charlottenburg die Schauspielerin Wojan nackt auf die Bühne. Keine Polizei schritt ein, keine Schauspielerorganisation schloß diese Kollegin aus. Bei anderer Gelegenheit erklärte ein Schauspieler vor Gericht, daß er auf Anordnung der Regie völlig nackt auf die Bühne gehen werde.

(Zurufe von den Kommunisten.)

Meine Damen und Herren! Haben wir nicht die Verpflichtung, die Menschenwürde der Schauspieler und Schauspielerrinnen gegen solchen gewissenlosen Mammonismus zu verteidigen?

(Erneute Zurufe links.)

In einem Lokale der südlichen Friedrichstraße, das seit Jahrzehnten der Geilheit dient, machten fast nackte Frauenzimmer wochenlang an jedem Abend ihren Kotau vor dem schwarzen Herrscher, "Haremsnächte" hieß das Schaustück,


3 S.6825C
4S. 6825C/D
5S. 6825D

nächste