1. Reichstag, Weimarer Republik


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Reichstag. - 246. Sitzung. Freitag den 7. Juli 1922

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246. Sitzung. [i]


Präsident: Die Sitzung ist eröffnet: Wir treten in die Tagesordnung ein. Erster Gegenstand: eine Anfrage. 1 Zur Verlesung der Anfrage hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Deermann.

Dr. Deermann, Abgeordneter: In landwirtschaftlichen Kreisen herrscht Unzufriedenheit darüber, daß Viehlieferungen an den Feindbund stets ausgeführt werden ohne rechtzeitige und ausführliche Bekanntgabe in der Presse.

Wir fragen deshalb an:
1. Wie groß ist die Zahl der bis jetzt an die Entente gelieferten Tiere?
2. Wieviel Tiere sind auf Grund des Friedensvertrages von Versailles oder eines späteren Abkommens noch zu liefern?
3. Wann erfolgt die nächste Viehlieferung, welche Tierklassen und welche Stückzahlen kommen hier in Frage?

Präsident: Zur Beantwortung der Anfrage hat das Wort Herr Oberregierungsrat Heinitz.

Heinitz, Oberregierungsrat im Reichs-ministerium für Ernährung: Zu 1. Seit Beginn der Viehabgaben wurden bis zum 3. Juli 1922 nachstehende Viehmengen an die Entente geliefert:
143 525 Pferde,
175 606 Rinder,
209 231 Schafe,
21 441 Ziegen,
246 700 Hühner.
Zu 2. Auf Grund des Friedensvertrages sowie der späteren geschlossenen Abkommen sind nach dem Stand der gegenwärtig gestellten Anforderungen weiterzuliefern:
81 712 Pferde,
92 100 Rinder,
77 400 Schafe.

Zu 3. Die nächste Viehlieferung aus Süddeutschland erfolgt an Italien in Rindern und Schafen voraussichtlich Anfang September 1922; an Serbien in Schafen voraussichtlich Anfang August 1922;


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für Italien kommen in Betracht 10 000 Rinder, 4 000 Schafe; für Serbien kommen in Betracht 57 000 Schafe.

Präsident: Damit sind die Anfragen erledigt. Wir kommen zum dritten Gegenstand der Tagesordnung:

Fortsetzung der Besprechung der Interpellation Abgeordneten Crispien und Genossen betreffend die Vorkommnisse aus Anlaß der Hindenburgfeier in Königsberg i. Pr. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hensel (Ostpreußen).

(Zurufe links. - Zahlreiche Mitglieder der Linken verlassen den Saal.)

Hensel, Abgeordneter: Seit der Abschnürung unserer Heimatprovinz Ostpreußen vom deutschen Vaterlande ist es das Bestreben all derer, die es mit dem deutschen Lande da fern im Osten gut meinen, gewesen, in der schwerbedrohten, vom Polentum umgebenen Provinz die Parteigegensätze und die Klassenunterschiede immer mehr auszugleichen, um eine Einheitsfront herzustellen, von der ich gestern schon gesprochen habe. 2 Besonders ist dieses Bestrebung von Erfolg begleitet gewesen, als es zur Abstimmung und zu den Vorbereitungen für diese Abstimmung kam.

(Sehr gut! Bei den deutschnationalen.)

Ich habe damals selbst, als ich die Gefahr von seiten der Polen zum erstenmal erkannt, schon im Jahre 1919 an sämtliche Einwohner Masurens einen Aufruf erlassen, sich zur Abwehr der polnischen Bestrebungen zu einem Masurenbund ohne Unterschied der Partei, der Stände und Klassen zusammenzuschließen.

(Bravo! bei den Deutschnationalen.)

Dieser Aufruf hatte, weil der Boden für ihn vorbereitet war, in ganz kurzer Zeit, in etwa drei Monaten, den Erfolg, daß bei mir 147 000 und einige hundert Mitglieder aus allen Parteien

(hört! Hört! Bei den Deutschnationalen) angemeldet wurden. (Bravo! bei den Deutschnationalen.)

Bei der eigentlichen Gründungsversammlung in meinem Heimatstädtchen, in der ich die Ziele nun mündlich auseinanderlegte, meldete sich zunächst nur ein Diskussionsredner zum Wort. Das war der Vorsitzende der mehrheitssozialistischen Partei des Kreises. Er erklärte, er könne alles unterschreiben, was ich gesagt hätte;

(hört! hört! bei den Deutschnationalen)

aber er hielt es nicht für nötig, daß noch solch ein Bund gegründet würde, und darum würde seine Partei dem Bund nicht beitreten.

(Hört! Hört! bei den Deutschnationalen.)

Als er geendigt hatte, trat ein anderes Mitglied des Kreisvereins der Mehrheitssozialisten zu mir heran


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