1. Reichstag, Weimarer Republik


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Reichstag. - 254. Sitzung. Dienstag den 18. Juli 1922

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254. Sitzung. [i]


Präsident: Wir kommen zum 7. Gegenstand der Tagesordnung: dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz der Republik Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Bazille.1

Bazille, Abgeordneter: Meine Damen und Herren! Man kann diejenigen Teile des deutschen Volkes, die man mit dem Sammelwort "rechts" bezeichnet, in etwa vier Gruppen einteilen;2 zunächst in die zwei großen politischen Parteien, die Deutschnationalen und die Deutsche Volkspartei. Die dritte Gruppe bildet eine größere Zahl parteipolitisch neutraler Verbände und Vereinigungen: Alldeutscher Verband, Deutsch-völkische-Vereine, Bund nationalgesinnter Soldaten, Jung-deutscher Orden, Bund der Offiziere usw.

(Zuruf links: Das ist nur eine künstliche Gliederung!)

Alle diesen Gruppen ist gemeinsam erstens der Glaube, daß die republikanische Staatsform für das deutsche Volk ungeeignet ist,

(Abgeordneter Krätzig: das ist ein Aberglaube!)

daß sie schließlich zu seinem Verderben führt. -Warten wir die Erfahrung ab, Herr Kollege! - Allerding hat in ihrer letzten Kundgebung die Deutsche Volkspartei erklärt, daß nach ihrer Ansicht der Wiederaufbau des deutschen Vaterlandes nur auf dem Boden der Republik möglich sei.

(Rufe links: Sehr wahr!)

Wenn diese Worte negativ gemeint sind, wenn sie zum Ausdruck bringen sollen, daß eine gewaltsam zurückgeführte Monarchie Deutschland nicht wieder aufbauen könne, so teilen wir diese Ansicht aus vollster und ehrlichster Überzeugung.

(Lebhafte Zustimmung bei den Deutschnationalen. - Zurufe links: Ehrliche Überzeugung?)

Den drei Gruppen der rechten,3 die ich eben genant habe, ist weiterhin gemeinsam die Auffassung, daß jene Gesinnungen gepflegt werden müssen, die man "national" nennt, und ein Drittes ist ihnen gemeinsam: die Erkenntnis, daß der Weg zur Gesundung des deutschen Volkes nicht in der gewaltsamen Überwindung der Republik, sondern der allmählichen Überwindung der republikanischen Irrtümer durch die Macht der Erfahrung, der Enttäuschung und des Leides ist, die die republikanische Staatsform über Deutschland bringen wird.

(Wiederholte Zustimmung bei den Deutschnationalen.)

Innerhalb dieser dritten, parteipolitisch neutralen Gruppen gibt es nun einige Richtungen, deren Denken


1Bd. 356, S.8687C
2S.8690D
3S.8691A

doktrinär etwas zugespitzt ist, denen also eigentümlich ist, daß sie ein richtiges Prinzip, einen an sich richtigen bestimmten Gedanken bis in seine letzten Konsequenzen durchdenken. Ich denke dabei in erster Linie an die deutschvölkische Bewegung. Wir sind für diese deutschvölkische Bewegung4 nur insofern verantwortlich, als sie sich innerhalb der Grenzen unserer Partei bewegt, und wir weisen es von uns, für diese Bewegung verantwortlich gemacht zu werden, soweit sie außerhalb der Grenzen unserer Partei ist.

(Sehr richtig! bei den Deutschnationalen. - Zurufe links.)

Denn jedermann weiß, daß ein extremer deutschvölkischer Flügel sich abgesplittert hat von der einheitlichen deutschvölkischen Bewegung und sich auch parteipolitisch besonders organisiert hat.

(Sehr wahr! bei den Deutschnationalen.)

Was jene Kreise machen, dafür sind wir selbstverständlich nicht verantwortlich.

(Erneute Zustimmung bei den Deutschnationalen. - Zurufe links: Und Wulle, Henning?!)

Aber den deutsch-völkischen Gedanken aus unserer Partei zu verbannen, daran denken wir nicht.

(Lebhafte Zustimmung bei den Deutschnationalen.- Zurufe links.)

Der deutschvölkische Gedanke war eine notwendige Reaktion auf die Verirrungen des Internationalismus.

(Sehr richtig! bei den Deutschnationalen.)

Nachdem das deutsche Volk am Gift des Internationalismus krank geworden ist, sehnt es sich zurück nach den Quellen und Bächen seines Lebens, um daraus eine neue Jugend zu trinken. Nur wenn sich das deutsche Volk auf sich selbst besinnt, wenn es zurückkehrt zu dem, was seinem besten Wesen entspricht, kann es wieder genesen. Das ist der große Gedanke der deutsch-völkischen Bewegung, und an dem halten wir fest! Wenn diese deutsch-völkische Bewegung leider außerhalb unserer Partei zu gewissen Verirrungen führt, so bedauern wir das. Wir haben aber darauf keinen Einfluß, wir können das nicht verhindern, wir können dafür nicht verantwortlich gemacht werden!

(Sehr richtig! bei den Deutschnationalen.)

Neben diesen drei Gruppen der rechten gibt es eine vierte Gruppe, die aber nicht einheitlich ist. Sie hat einiges Gemeinsame mit den drei ersten Gruppen, daher wird sie zur Rechten gezählt; sie unterscheidet sich von ihnen aber durch den Radikalismus der Methode. Solche radikalen Auswüchse großer Richtungen hat es überall und zu allen Zeiten gegeben und wird es geben, solange die Welt steht, weil die Natur immer wieder Menschen erzeugt, die freilich so organisiert sind, daß sie unter gewissen Voraussetzungen zu dem werden, was man in immer stärkerer Steigerung Radikale, Ultras, Exaltados, Desperados nennt. Schon die Fremdworte bringen zum Ausdruck, daß das deutsche Wesen eine Neigung zu solchen Extremen nicht hat. Es müssen schon


4S.8691B

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