1. Reichstag, Weimarer Republik


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Reichstag. - 280. Sitzung. Dienstag den 12. Dezember 1922

Seite 266

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280. Sitzung. [i]


Dienstag den 12. Dezember 1922

Maßnahmen zum Schutz der Republik:1

Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bruhn.2

Bruhn, Abgeordneter: Meine Damen und Herren! Als nach dem Rathenau-Mord die Hetze gegen uns, gegen die Rechte einsetze, wurde auf Grund der Verordnung des Reichspräsidenten eine große Anzahl nationaler Verbände, darunter auch der deutschvölkische Schutz- und Trutzbund, in einer ganzen Reihe von "Ländern", besonders auch in Preußen, verboten.3

(Lebhafte Rufe links und in der Mitte: sehr richtig!)

Diese Auflösung ist dann auf eine Beschwerde des Verbandes vor dem vorläufigen Staatsgerichtshof bestätigt worden. Der jetzige Staatsgerichtshof hat dann das Wiederaufnahmeverfahren angeordnet. Der vorläufige Staatsgerichtshof hatte gesagt, es bestünde "der dringende Verdacht", die Ermordung des jüdischen Ministers Rathenau sei verübt worden - oder mindestens veranlaßt worden - von Männern, die dem Bunde angehörten oder doch zu ihm in Beziehung ständen.

(Abgeordneter Heydemann: "Jüdischer" Minister hat er nicht gesagt!)

- Woher haben Sie Ihre Weisheit? - In der Verhandlung hat dann weder den Mördern Fischer und Kern nachgewiesen werden können, daß sie in irgendeiner Beziehung zu dem Bunde ständen - -

(Abgeordneter Haymann: Sie haben eben schon wieder geschwindelt!)

Präsident: Herr Abgeordneter Heydemann, für diese Äußerung rufe ich Sie zur Ordnung!

Bruhn, Abgeordneter: Auch gegen die anderen in dieser Entscheidung genannten Küchenmeister und Bade ist das Verfahren später eingestellt worden, weil nicht nachgewiesen werden konnte, daß sie irgendwie mit der Straftat in Verbindung standen. Nach dieser Entscheidung sind die dem Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund angehörigen Personen von dem Verdacht gereinigt, daß sie mit dem Rathenau-Mord in irgendwelcher Beziehung stehen. Wenn aber wirklich dieser und jener dem Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund Angehörige eine Äußerung getan hätte, die als fanatisch oder maßlos bezeichnet werden muß - auch wir billigen dergleichen nicht -


1Bd. 357, S.9271D
2S.9289A
3S.9289B

so darf man deshalb einen ganzen Bund nicht auflösen. Und deshalb ist das Verbot des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes unzulässig, wir protestieren ganz entschieden dagegen. Der Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund4 ist eine Verbreiterung des ehemaligen Deutschvölkischen Bundes. Dieser Deutschvölkische Bund ist eine Fortsetzung der Parteibewegung, die wir Deutschvölkischen seit Jahrzehnten gepflegt haben. Als sich die Rechtsparteien nach der Revolution vereinigten, stellte sich der Deutschvölkische Bund die Aufgabe, die antisemitischen Bestrebungen der damaligen Deutschvölkischen Partei losgelöst von allen Parteirichtungen, ganz besonders zu fördern. Der Bund hat in seinen Satzungen keinerlei Bestimmungen, die sich gegen die Republik als solche richten. Die Tatsache, daß der Bund gegen den zersetzenden jüdischen Einfluß, der sich auf den verschiedenen Gebieten unseres öffentlichen Lebens zeigt, kämpft, kann doch wohl keine Unterlage für das Verbot seiner Existenz abgeben. Will man das, so soll man wenigstens den Mut haben und dies aussprechen. Daß die Anhängerschaft des deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes nach der Revolution größer geworden ist, ist das Verdienst der nachrevolutionären jüdischen Betätigung, die sogar dem "Berliner Tageblatt" zu weit ging, so daß das Blatt schrieb, gewisse Leute, nämlich die Cohn und Levi und andere, möchten sich doch nicht allzu sehr in den Vordergrund drängen.

(Zurufe links.)

In Ihren Reihen (zur Mitte) sitzt gar mancher, der auch so denkt. Die Juden drängen sich überall hervor.

(Abgeordneter Hoffmann: Der Heiland hat doch auch eine Jüdin geboren!)

Das soll wohl ein "Witz" sein, Herr Hoffmann, es ist aber keiner. Mit solchen Verboten, wie mit demjenigen gegen den Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund werden Sie den deutschvölkischen Gedanken nicht unterdrücken; der wird sich trotzdem durchsetzen! Woher kommt es denn, daß der Antisemitismus in der Republik so weite Kreise erfaßt hat, wie seit langen Jahren nicht in dem Maße? Weil die Juden sich in alle leitenden Stellen schoben, während und nach der Revolution. Das wissen Sie auch, die Demokraten und Sozialdemokraten. Es hätte nur noch gefehlt, daß das Zentrum auch noch jüdische Minister präsentiert hätte. Weil der Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund diese Dinge mit dem richtigen Namen bezeichnet hat, deshalb der Haß gegen ihn. Weil man die politischen Kräfte fürchtet, die der Bund in unserem Volke zusammenführt, will man ihn mundtot machen. Nicht gegen die Republik, aber für das deutsche Volk kämpfte der Bund gegen die zersetzenden Kräfte, die unser Volk und Reich zugrunde richten. Trotz aller Verbote wird das


4S.9289D

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