1. Reichstag, Weimarer Republik


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Reichstag. - 32. Sitzung. Montag den 22. November 1920.

Seite 20

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(Lebhafte Zustimmung rechts. - Lachen bei den Sozialdemokraten und der U.S.P.)

So wenig der Wert der republikanischen Staatsform dadurch herabgesetzt werden könnte, daß irgendwo und irgendwann einmal ein Schurke an ihre Spitze gestanden hätte, so wenig berührt es das Wesen des monarchischen Gedankens, daß Mitglieder eines Fürstenhauses vom Wege Rechtens abgewichen sein sollen.

(Zuruf von den Sozialdemokraten: Das liegt im System!)

Ich muß es noch einmal sagen: die Frage der Monarchie ist für uns in keinem Sinne eine Personenfrage.

(Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei.)

Wir halten die Monarchie für die bessere Staatsform, weil sie eine von dem Parteiwesen unabhängigen Staatsgewalt verbürgt und dadurch den Gedanken und das Wesen der Staatsautorität selbst klarer herausstellt.

(Lebhafte Zustimmung rechts. - Zuruf von der U.S.P.: Die Hohenzollern waren stets Junkerpartei! - Weitere Zurufe bei den Sozialdemokraten und der U.S.P.)

- Ich will Ihnen gern Gelegenheit geben, erst Ihre Geschichtskenntnisse auszukramen.

(Heiterkeit rechts.)

Wenn Sie damit fertig sind, dann fahre ich fort. Und wenn wir auch jetzt noch nach dieser Interpellation grundsätzlich von dem monarchischen Standpunkt nicht abgehen, so bleiben wir uns doch dessen bewusst, daß wir auf der Grundlage der Weimarer Verfassung der jetzt bestehenden republikanischen Staatsform schuldig sind, so bleiben wir uns doch dessen bewusst, daß das Volk jetzt andere und größere Sorgen hat

(Zurufe bei den Sozialdemokraten und der U.S.P.: als die Hohenzollern zu füttern!)

als die Frage des Kampfes um die Staatsform und endlich auch dessen bewußt, daß, wenn wir die Wiederherstellung der Monarchie auf Grund ordnungsgemäßer Kundgebung des Volkswillens wünschen, wir sie uns anders wünschen, als sie war, nämlich als

volkstümlich-soziale Monarchie. Aber mir liegt noch etwas anderes auf der Seele, was Ihnen vielleicht noch viel schärfer auf die Nerven geht. Das betrifft die ethisch-nationale Seite der Sache.15 Uns verletzt es aufs tiefste, daß die Interpellanten jede geschichtliche Pietät

(Lachen bei den Sozialdemokraten)

jede Achtung vor dem Unglück, daß sie jede Rücksicht auf die innerpolitische Lage, daß sie jedes Verständnis für die nationale Würde dem Ausland gegenüber verleugnen.

(Sehr richtig! rechts. - Lärm und Zurufe links. - Gegenrufe rechts.)

Selbst wenn alles erweislich wahr wäre, hätten diese Rücksichten Sie bestimmen müssen, von der Interpellation Abstand zu nehmen, nachdem Sie doch gewusst haben, daß das Recht unerbittlich, gleichgültig gegen wen, ob niedrig oder hoch, seinen lauf nehmen wird. Das hätte Sie bestimmen müssen, die salus publica über Ihre Parteiinteressen zu setzen.

(Sehr richtig! rechts.)


15 S.1176B
vorige

Ich weiß - es bedarf darüber unter uns keiner Erregung -, daß wir uns darüber nicht verständigen. Hier trennt uns eben nicht bloß die politische Methode, sondern - zur Freude des Herrn Abgeordneten Dittmann will ich das noch einmal wiederholen - hier trennt uns eine Kluft der ethnisch-nationalen Weltanschauung.

(Lebhafte Zustimmung rechts. - Lachen links.)

´ Sinn für geschichtliche Werte außer für ihre eigenen Götzen haben die Sozialdemokraten freilich niemals gehabt.

(Sehr richtig! rechts.)

Aber das Verständnis für die gegenwärtige ernste Lage des Vaterlandes, das hätte man verlangen können. Nie hätte im Ausland eine Partei in solcher Lage derartiges unternommen,

(sehr richtig! rechts.)

dessen Wirkung sein muß, unsere Position gegenüber einer Welt von Feinden weiter zu erschweren und die Lügen, die der Friedensvertrag aufstellt, noch mehr in der Vorstellung unserer Feinde zu befestigen.

(Sehr wahr! rechts.)

Nach unserer Überzeugung ist Ihre Rechnung falsch, und das deutsche Volk wird Ihnen das nicht lohnen, sondern zu entsprechender Stunde ankreiden. Eine für uns hoffnungsvolle Seite hat die Sache allerdings. Diese Interpellation, meine Herren von der Sozialdemokratie, ist nach meiner Auffassung ein Zeugnis Ihrer politischen Schwäche.

(Lebhafte Zustimmung bei der Deutschen Volkspartei und den Deutschnationalen.)

Sie fühlen den Boden unter den Füßen wanken. Ihr politischer Einfluß sinkt, weil die Arbeiterschaft allmählich begreift, daß sie von Ihren Theorien, und wenn sie noch so ideal sind, nichts zu erwarten hat. In dieser Not greifen Sie zu solchen Mitteln, um sich als die Retter des Vaterlandes in Erinnerung zu bringen Es wird Ihnen nichts nützen. Ihr langsamer Niedergang ist nach meiner Meinung endgültig. Ihre Interpellation können wir nicht höher bewerten als ein politisches Agitationsmittel.16

(Lebhafter, anhaltender Beifall bei der Deutschen Volkspartei und den Deutschnationalen. - Große Unruhe und erregte Zurufe von den Sozialdemokraten und der U.S.P.)

Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Höllein.

Höllein, Abgeordneter:17 Meine Damen und Herren! Was heute hier verhandelt worden ist, ist durchaus keine Einzelerscheinung, sondern nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Riesenfilm der kapitalistischen Korruption, die sich in Deutschland breit macht. Und das Merkwürdige an der ganzen Art dieses Kampfes ist, wie das ja schon am Anfang der Debatte durch den Zwischenruf geschehen ist, die bekannte Ablenkungsmethode, dabei auf die Juden loszutrommeln. Nein, in diesem Falle liegt keine Veranlassung zu einer Judenhetze vor.18 Denn hier sind nicht Juden, hier sind eine ganze Anzahl hervorragender Patentchristen Ihrer Art an den Pranger gestellt worden.


16 S. 1176D
17 S. 1185D
18 S. 1185A/B

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