1. Reichstag, Weimarer Republik


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Reichstag. - 32. Sitzung. Montag den 22. November 1920.

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antworten, inwieweit die kaiserliche Familie, insbesondere der Kaiser selbst, belastet ist. Ich darf dem Herrn Abgeordneten Höllein wie auch dem Herrn Abgeordneten Breitscheid erwidern, daß die meisten Ihrer Anfragen im Preußischen Abgeordnetenhaus zu stellen sind, also hier zuständigerweise nicht beantwortet werden können. - Ich kann aber folgendes mitteilen - ich habe mir das wörtlich aufgeschrieben, um nicht etwa im Ausdruck fehlzugehen -: Es ist richtig, daß mit Genehmigung des preußischen Finanzministers

(hört! hört! rechts.)

Möbel und Hausrat aus dem Privatvermögen des früheren deutschen Kaisers nach Holland ausgeführt worden sind. Nun kommt bei der zollamtlichen Ausgangsabfertigung, die Zuständigkeit des Finanzministers des Reichs. Dieses Mobiliar ist, wie dies allgemein geschieht, geprüft worden, ob Gegenstände mit zur Ausfuhr gelangen, bezüglich deren eine Ausfuhrgenehmigung nicht vorlag. Die nach dieser Richtung hin vorgenommenen Prüfungen haben in keinem Fall belastendes Material ergeben.

(Lebhafte Zurufe rechts: Hört! Hört!)

Ich teile pflichtgemäß das mit, was in meinem Amt über diese Dinge bekannt ist; dazu bin ich verpflichtet. Vizepräsident Dr. Bell: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Geyer (Leipzig. 33

Geyer, Abgeordneter: Wie liegt die Sache? 34 Vom Reich war versucht worden, Maßnahmen gegen die Kapitalflucht ins Werk zu setzen. Das sächsische Finanzministerium, das ich damals leitete, wurde über diese Dinge unterrichtet. Ich habe daraufhin durch unsere Beamten nach Berlin wissen lassen, daß ich diese Maßnahmen für vollständig fruchtlos, für einen Schlag ins Wasser halte und daß Sie mir mit dieser Maßnahme in keiner Weise imponieren. Und die ganze Angelegenheit hat seit jener Zeit, die nun zwei Jahre hinter uns liegt, bewiesen, daß in der Praxis gar nichts erreicht worden ist; sonst wäre heute hier die Interpellation nicht nötig gewesen. Die Praxis hat bewiesen, daß ich Recht hatte.

Vizepräsident Dr. Bell: Es haben sich nur noch zwei Redner zu Wort gemeldet, die versprochen haben, sich sehr kurz zu fassen. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Stresemann: 35

Dr. Stresemann, Abgeordneter: Meine Herren, ich habe lediglich das Wort erbeten, um mich zu den Ausführungen zu wenden, die der Herr Abgeordnete Dr. Breitscheid gemacht hat. Zwei Bemerkungen gestatten Sie mir noch zu der Frage selbst. 36 Die Herren Interpellanten haben sich dagegen gewehrt, daß man ihre Interpellation als tendenziös bezeichnet hat. Die Interpellation in der ganzen Art ihres Wortlautes und in der Art ihrer Begründung weicht meiner Meinung nach gerade für die


33S. 1200C
34S. 1200D
35S. 1201C
36S. 1202A/B
vorige

Partei der Herrn Interpellanten von republikanisch-demokratischer Auffassung vollkommen ab; denn für die republikanisch-demokratische Auffassung muß es an sich ganz gleichgültig sein, welcher Gesellschaftsklasse irgend jemand angehört, der einer Übertretung geziehen wird. Die besondere Hervorhebung einzelner Gesellschaftsklassen gibt der ganzen Interpellation ihren tendenziösen Charakter. Ich habe vor kurzem Gelegenheit gehabt, einmal eine Eingabe der Zollbeamten in Bentheim, der Zollstelle, die zwischen Holland und Deutschland liegt, zu prüfen, worin mir diese Zollbeamten ihr bitteres Leid darüber geklagt haben, in welcher ungerechtfertigten Weise sie von der Presse vielfach angegriffen würden, und wobei sie anführten, daß sie in wenigen Wochen 180 Personen wegen Schiebereien nach Holland festgenommen hätten. Das, was sie mir über diejenigen Klassen mitteilten, denen diese Schieberkreise angehörten, würde auch Anlaß geben können, irgendwelche einseitige Beschuldigung gegen irgendeinen Stand oder gegen irgend eine Konfession vorzubringen. Wie man das auf der einen Seite zurückweisen muß, ebenso ist es falsch, auf der anderen Seite hier einzelne Fälle herauszunehmen und dadurch zu versuchen, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, als wenn Fäulniserscheinungen der heutigen Zeit sich auf gewisse Klassen beschränken, die man politisch bekämpfen will. Das ist das Tendenziöse, was dieser Interpellation anhaftet und was mein Kollege Kahl zurückgewiesen hat. Lassen Sie mich mit einem letzten hier schließen. Es ist hier besonders das Geschlecht der Hohenzollern in die Debatte hineingezogen worden. Auch in der Beziehung hat, glaube ich, der Herr Abgeordnete Kahl doch mit Recht den Vergleich gebraucht, daß ebenso wenig, wie Verfehlungen von Leuten, die an der Spitze einer Republik stehen, Veranlassung geben, damit die Institution als solche zu treffen, ebenso wenig die Institution der Monarchie getroffen würde, auch wenn die Voraussetzungen richtig wären, von denen die Interpellanten ausgehen. Ob und wie weit sie richtig sind, weiß bis zu dieser Stunde von uns niemand. Um so mehr sollte man aber davon absehen, in so geschmackloser Weise, wie es vielfach geschehen ist, hier aus diesen Verfehlungen, auch wenn es Verfehlungen einzelner waren, gegen ein ganzes Geschlecht und gegen eine Institution Vorwürfe zu richten. Wenn man sich fragt, wie Herr Dr. Breitscheid: Wissen wir nicht, wie die Hohenzollern ihr Vermögen erworben haben?! -, so kann man ihm entgegenhalten: Wir wissen auch, daß nach dem Frieden von Tilsit die Hohenzollern ihr Silber- und Goldgeschirr verkauften, um die Kriegsschulden des preußischen Staates mit zu decken.

(Sehr richtig! rechts. - Lärm links.)

So wenig wie wir beanspruchen, daß das ganze Geschlecht der Hohenzollern lediglich nach den hochragenden Persönlichkeiten beurteilt wird, die es zu seinen eigenen gezählt hat, so wenig haben Sie das Recht, es niedrig einzuschätzen, auch wenn in seinen Kreisen sich solche Menschen finden sollten, die sich Verfehlungen haben zu schulden kommen lassen und die mit der Schärfe des Gesetzes zu treffen wie jeden anderen Bürger des Reichs, unsere sittliche Auffassung

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