1. Reichstag, Weimarer Republik


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Seite 285

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(Sehr richtig! rechts.)

Er selbst macht ja immer geltend, die Deutschvölkische Freiheitspartei sei eigentlich keine Partei, sondern habe sich das Parteimäntelchen nur umgehängt. Das ist - Herr Severing wolle mir das nicht übelnehmen - eine unzutreffende Ausrede. Die Deutschvölkische Freiheitspartei hat Abgeordnete, sie hat, soweit ich informiert bin und aus ihren Kundgebungen entnehme, durchaus die Absicht, sich auch in Zukunft eine parlamentarische Vertretung zu schaffen, bei den Wahlen zu arbeiten und zu agitieren, und wenn das der Fall ist, trifft auf sie eben der Begriff Partei zu, die heute in der Minderheit ist, eine Partei, gegen die deshalb die angemaßte Regierungs-gewalt der Mehrheit nicht ohne weiteres mit Verbot einschreiten darf, wenn sie nicht das ganze System der parlamentarischen Regierungsform zerschlagen will. Schließlich möchte ich doch die Frage an den preußischen Innenminister richten: Ja ist denn die Kommunistische Partei keine Partei, liegen bei ihr nicht genau dieselben Gründe vor? Durfte er gegen die Deutschvölkische Freiheitspartei so wie geschehen vorgehen, so mußte er in gleicher Weise gegen die Kommunistische Partei vorgehen.

(Sehr richtig! rechts.)

Damit verlasse ich zunächst die erste der beiden Interpellationen, die ich zu begründen den ehrenvollen Auftrag habe, und wende mich der zweiten zu. In dieser Zweiten Interpellation wird Einspruch dagegen erhoben, daß der Herr preußische Innenminister ein Verbot gegen alle sogenannten Selbstschutz- und Saalschutzorganisationen erlassen hat, also auch gegen eine große Anzahl von Organisationen, die mit der Deutschvölkischen Freiheitspartei an sich gar nichts zu tun haben,

(sehr richtig! bei den Deutschnationalen)

die auch mit dieser Partei nichts zu tun haben, zu denen vielleicht Gesinnungsfreunde von uns gehören, zu denen aber auch Mitglieder aller anderen Parteien gehören. Diese ganze Frage hat also nichts Parteipolitisches. Ich darf es mir nicht versagen, in dieser Beziehung an der Judikatur des Staatsgerichtshofs eine sehr scharfe Kritik zu üben. Das Gesetz zum Schutz der Republik stellt den Begriff der "Beschimpfung" in den Vordergrund für Verbote von Vereinen, von Versammlungen, von Presseerzeugnissen. So wurde beispielsweise,5 um nur eines von vielen Beispielen anzuführen, vom Staatsgerichtshof eine Beschimpfung festgestellt, wie der Verfasser gesagt hatte, in der deutschen Republik genössen die Juden größere Rechte als andere Staatsbürger. Mir scheint diese Feststellung sogar nicht ganz unberechtigt zu sein, wenn ich an den Erlaß eines Oberstaatsanwalts denke, der anordnete, daß antisemitische Gesinnung unter allen Umständen das öffentliche Interesse zur Erhebung der Beleidigungsklage begründe.

(Hört! Hört! bei den Deutschnationalen)

Das ist doch ein besonderes Recht, das da den Juden von den Gerichtsbehörden eingeräumt worden ist. Im übrigen geht gegen den Selbstschutz, gegen den Saalschutz und gegen die zu seiner Ausübung gebildeten Organisationen jener zweite Erlaß des preußischen


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Innenministers vor, den wir zum Gegenstand unserer Interpellation gemacht haben. 6S. Gegen diese Verbote müssen wir den allerschärfsten Einspruch erheben. Sie sind rechtlich unhaltbar. Es ist nicht richtig, wenn der Minister ausführt, daß in solchem Selbstschutz und Saalschutz eine unbefugte und deshalb strafrechtlich verfolgbare Amtsanmaßung liege. Nein, was hier geschieht, ist weiter nichts als berechtigte Notwehr, in der Notwehr vorgenommener Schutz gegen den Terror der Straße,

(sehr wahr! bei den Deutschnationalen)

gegen jenen Terror der kommunistischen Banden, die hinausziehen, um zu plündern und zu rauben und einzelne Persönlichkeiten, deren politische Gesinnung ihnen nicht gefällt, der Gewalt der Straße auszusetzen, gegen jenen Terror eben solcher Banden, die die Versammlungsfreiheit und das Versammlungsrecht ruhiger Bürger dauernd stören, dauernd in der schwersten Weise angreifen. Die Notwehr dagegen ist an sich wie jede Notwehr berechtigt, ein unantastbares gesetzliches Grundrecht, und sie ist um so berechtigter, weil sie vielfach durch ein völliges Versagen der Behörden verursacht ist, die den nötigen Schutz dagegen entweder nicht ausüben wollen oder nicht ausüben können. Diese verbotenen Vereine gehören durchaus nicht alle zu unserer Partei. Dennoch leisten wir ihrer Verfolgung aus dem Grunde, den ich mir auszuführen erlaubte, entschiedenen Widerstand, und ich glaube, das eine voraussagen zu dürfen: die Kreise, die bisher in diesen verbotenen Organisationen des Selbstschutzes und Saalschutzes vereint waren, werden sich das Recht der Notwehr weder von dem Herrn Minister in Preußen nehmen lassen,

(lebhafte Zustimmung bei den Deutschnationalen)

noch sich an der Ausübung dieses Rechtes durch den Terror der Straße verhindern lassen.

(Erneute Zustimmung.)

Es ist vielleicht gerade heute an der Zeit 7, sich einmal an den historischen Ursprung des Wortes vom furor teutonicus zu erinnern. Dieses Wort haben die Römer erfunden, um sich über unsere lieben und verehrten Vorfahren lustig zu machen. Diese Vorfahren hatten gelegentlich angesichts eines Schlachtheeres, vor dem sie standen, nichts besseres zu tun gehabt, als sich zunächst einmal gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. So kam es zu einer jener Niederlagen, die in der deutschen Geschichte wahrlich nicht selten gewesen sind, einer jener Niederlagen, die das deutsche Volt nicht seiner eigenen Schwäche verdankte, die es durch seine kraftvolle Überlegenheit hätte überwinden können, die es aber verdankte seiner Uneinigkeit, jenem furor teutonicus, der immer wieder der Versuchung unterliegt, während der Feind draußen vor dem Tore oder schon in den Toren steht, seinen ganzen Zorn und seine ganze Kraft gegen den eigenen Volksgenossen zu wenden. Ich meine: die Stunde gebietet heute etwas anderes, sie gebietet, daß das gesamte deutsche Volk, daß wir alle den furor teutonicus, den deutschen Kampfeszorn und -willen gegen den auswärtigen Feind richten,

(lebhafte Zustimmung bei den Deutschnationalen)


6S.10995B
7S.10998A

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