1. Reichstag, Weimarer Republik


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Reichstag. - 77. Sitzung. Montag den 7. März 1921.

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77. Sitzung. [i]


Montag den 7. März 1921


Fortsetzung der zweiten Beratung des Reichshaushaltsplans für 1920

Vizepräsident Dr. Bell: Das Wort zu Kap. 1 Tit. 1 der fortlaufenden Ausgaben hat der Herr Abgeordnete Bruhn.

Bruhn, Abgeordneter: 1 Meine Damen und Herren! Es sollte angenommen werden, daß nach Beendigung des Krieges die Krankheit, von der ein großer Teil unseres Volkes während des Krieges befallen war, nämlich viel zu verdienen, große Gewinne zu machen, behoben sein würde. Wir sehen aber, daß das leider nicht der Fall ist. Bei dem Abbau der Kriegswerte, die das Reich nicht mehr verwenden kann und darf, sehen wir, daß einzelnen Persönlichkeiten Millionengewinne zugeschanzt werden. Der Herr Berichterstatter hat über den Fall "Deutsche Werke" Mitteilung gemacht. Die Direktoren der Deutschen werke haben, ohne daß sie den Aufsichtsrat und die Treuhandgesellschaft etwas davon wissen ließen, 47 000 Tonnen Maschinen an einen Herrn Kahn zu einem Preise verkauft, der diesem Herrn Kahn einen Gewinn von 50 Millionen und darüber hinaus zukommen lasse. Es sind Sachverständige vernommen worden, von denen einer sagte: "Dieser Vertrag ist das Tollste, was ich je gelesen haben. Kahn erhält durch diesen Vertrag eine wirtschaftliche Machtstellung in einem Gewerbe, die außerordentlich ist."

(Hört! Hört! rechts.)

Der andere Sachverständige sagte: "Rechte und Pflichten sind in dem Vertrag ungleich verteilt; für Kahn enthält dieser Vertrag unübersehbare Gewinnmöglichkeiten".

(Hört! Hört! rechts.)

Der eine der Sachverständigen stellt fest, daß nicht 1,05 Mark das Kilogramm sondern 7,50 Mark das Kilogramm der Preis für Maschinenschrott zu jener Zeit gewesen sei, als der Vertrag abgeschlossen wurde; der andere sagt: 4 bis 10 Mark. Wir sehen daraus, daß die Maschinen nach der Aussage des einen Sachverständigen 7 mal nach der anderen 4 bis 10 mal soviel wert waren. Man steht geradezu vor einem Rätsel und fragt sich: wie konnten die Direktoren einen solchen Vertrag abschließen, bei dem das Reich so schwer geschädigt worden ist? Man fragt nach den Gründen. In der informatorischen Verhandlung, die im Ausschuß mit den Direktoren stattgefunden hat, stellte sich heraus, daß der Vater dieses Vertrages der Herr Katz war, - -

(Widerspruch bei den Deutschen Demokraten.)

- Ja, Herr Gothein, wenn Sie nein sagen, so muß ich doch darauf hinweisen, daß wir doch diesen Eindruck bekommen haben. Derjenige, der den Vertrag am emsigsten verteidigte, war gerade Herr Katz. Ich darf


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daran erinnern, daß Generaldirektor Weinlig, als er seinerzeit vom Reich angestellt wurde, um die Werte des Reichs zu verwalten, 250 000 Mark Gehalt erhielt. Das war damals eine so ungewöhnlich hohe Summe, daß man fragte, wie kam man zu einem solch hohen Gehalt, zu einem Gehalt, das höher als das Gehalt des Reichspräsidenten ist? Da wurde uns gesagt, wenn man eine tüchtige kaufmännische Kraft gewinnen wolle, müsse man ein Gehalt aussetzen, das ungefähr dem Verdienst gleich sei, der in der Privatwirtschaft bezahlt werde. Wie tüchtig die Direktoren sind und wie tüchtig auch Herr Generaldirektor Weinlig und sein Mitdirektor Katz sind, sehen Sie daraus, daß ein solcher Vertrag abgeschlossen werden konnte. Nach jenen Verhandlungen im Ausschuß ist in der Presse ein Vorgang besprochen worden, der auch recht bezeichnend ist. Herr Kahn hat eines Tages in Spandau antelephoniert und gefordert, daß alle verfügbaren Platingegenstände ihm auf dem schnellsten Wege durch einen sicheren Boten in einem Paket nach Berlin gebracht werden sollten. Die Gegenstände wurden gesammelt - es handelte sich um 3,3 Kilo Platin - und ihm in einem Paket verschnürt zugebracht. Der betreffende Oberbuchhalter, der Herrn Kahn das Paket brachte, erklärt in einem Zeitungseingesandt: Als er in das Zimmer des Herrn Kahn trat, saß bei diesem ein Galizier, der schon schmunzelnd auf das Päckchen schaute. Augenscheinlich war er derjenige, der das Platin erwerben sollte. Das Platin hatte nach Schätzung sachverständiger Beamten 500 000 Mark wert; an den Galizier ist daßelbe für 100 000 Mark verkauft worden; so behauptet der betreffende Beamte. Herr Katz hat gegenüber dieser Erklärung eine Entgegnung gemacht, in der er sagte, das Platin sei für über 100 000 Mark verkauft worden. Er hüte sich aber, den Preis zu nennen, für den er wirklich verkauft worden ist. Ich komme dann zu einer anderen Angelegenheit 2 , die auch in das Gebiet der Kriegs- und Nachkriegsgewinne fällt. Nach Beendigung des Krieges wurden der Firma Levin in Breslau die gesamten Alt- und Neutextilien überwiesen. Nach einem Vertrage, der mit ihr abgeschlossen wurde, erhielt die Firma Tuchhosen zu 2 Mark, Bettlaken zu 1 Mark, Taschentücher zu 10 Pfennig, also zu außerordentlich billigen Preisen überwiesen

(hört! hört! bei den Deutschnationalen)

und sollte nun unter Ansetzung von normalem Verdienst der Textilnotstandsversorgung - das ist die Kriegsgesellschaft, um die es sich hier handelt - die fertige Ware zur Verfügung stellen. Diese Firma Levin hat vor dem Kriege mit Eisenbahnpelzen und Stiefeln en gros gehandelt. Sie war durchaus nicht besonders befähigt, und die Dinge liegen wirklich nicht so, daß man nur dieser einzigen Firma dieses Monopol hätte übertragen müssen.

(Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, auch aus Ihren Reihen, aus den Reihen der Linken, ist unlängst eine Anfrage von Herrn Beims gekommen,

(Zustimmung bei den Sozialdemokraten)


2 S. 2706D

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