1. Reichstag, Weimarer Republik


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sozialdemokratie oder bei den Unabhängigen sich bisher zusammengefunden haben. Was wir an Verbrechen in diesen letzten Wochen in Mitteldeutschland erlebt haben, das sind ja auch weitaus nicht rein politische Frevel, sondern sie tragen alle den Stempel des gemeinen Verbrechens an sich.

(Sehr gut! rechts.)

Keine Spur von politischem Idealismus, nur Roheit und Gemeinheit haben uns da entgegengeschaut.

(Sehr richtig! Rechts.)

Herr Hörsing hat es ja am 16. März 1921 in seinem bekannten Aufruf, sogar si weitgehend, gesagt das, was uns hier gegenübersteht, seien durchweg internationale Verbrecher, die sich nur als Kommunisten hinstellten, mit den blödesten Schlagwörtern die Arbeiter betörten, Elemente, die selbst raubten und plünderten, an Arbeit nie dächten und, wenn es darauf ankommt, immer in ihrem Versteck bleiben. Ein solches im größten Stiel aufgezogenes und organisiertes Verbrechertum kann natürlich nur durch Ausnahmevorschriften und Ausnahmebestimmungen unterdrückt und ausgerottet werden.

(Zustimmung rechts.)

Es hat Herrn Dr. Rosenfeld ganz besonders genagt, daß die Verordnung, die Raschheit der Justiz in unheilvoller Weise fördere. Gewiß, eine Raschheit soll durch diese Verordnung gerade in die Wege geleitet werden. Aber ich kann diese besondere Beklemmung des Herrn Dr. Rosenfeld eigentlich wenig verstehen, wenn ich die Raschheit der Justiz gegenüber halte, mit der gerade die Herren Bolschewisten in Thyringen vorzugehen beliebten.

(Sehr wahr! rechts.)

Ich erwähne da einen Anschlag, der in dem Dorf Schraplau in Thyringen mit der Namensunterschrift des militärischen Oberleiter Max Hölz aushing, in dem es hieß:
Jeder Bürger wird erschossen,

(hört! hört! rechts)

der sich nicht der militärischen Oberleitung fügt.

(hört! hört! rechts.)

In demselben Augenblick, in dem gemeldet wird, das Sipo oder Reichswehr im Anmarsch ist, werden sofort die ganzen Städte angezündet

(hört! hört! rechts)

und die Bourgeoisie abgeschlachtet ohne Unterschied des Geschlechts und Alters.4

(Hört! Hört! rechts.)

Das scheint mir nicht nur eine rasche Justiz zu sein, sondern eine Schnelljustiz übelster Art.

(Zuruf rechts: Klassenjustiz!)

Die linksradikalen Gefahren sind keineswegs vorüber.5


4S. 3352B
5S. 3353C
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Das Feuer ist für den Augenblick niedergekämpft, es schwelt aber fort, und es wäre töricht, wenn etwa aus dem Umstande, daß gegenwärtig das Schwerte beseitigt zu sein scheint, den Schluß ziehen zu müssen glaubt, es sei auch nun am Platze, die Verordnung aufzuheben, da ja das Abschreckungsprinzip, das sie leitet, nicht mehr zur Anwendung kommen kann. Man braucht sich ja nur

einmal die letzte Nummer der "Roten Fahne" anzusehen, wo mit Worten herumgeworfen wird:

Nur einen Weg gibt es, um die Welt von diesem Schrecken ohne Ende zu befreien. Nur einen Weg gibt es, der die wirkliche Wiedergutmachung bringt: die Revolution. In Deutschland stehen die Dinge auf des Messers Spitze. Zaudern die deutschen Arbeiter noch länger, bleibt sie noch länger passiv, so wird sie statt der Geißeln Skorpione zu fühlen bekommen. Kampfbereitschaft ist jetzt die Losung! Die Breche muß erweitert werden. der nächste Feind ist die deutsche Bourgeoisie. Bereit sein ist alles!

(Hört! Hört! rechts.)

Das sagt genug. Ich möchte gerade dieses Schlußwort, das hier in dem Appell der "Roten Fahne" gewählt ist, auch als mein Schlußwort an die Regierung wählen: Bereitsein ist alles.

(Lebhafter Beifall bei den Deutschnationalen.)

Vizepräsident Dr. Bell: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Delius. 6

Delius, Abgeordneter: Sehr geehrte Damen und Herren! Um die vorliegenden Anträge richtig würdigen zu können, ist es notwendig, sich noch einmal kurz mit den Vorgängen in Mitteldeutschland zu beschäftigen. Der Bezirk Halle ist seit den letzten Jahren ein Eldorado der Kommunisten und ein Hexenkessel für alle friedlichen Bürger geworden. Die Ursachen gehen auf den Krieg zurück, der eine Riesenindustrie entstehen ließ. Zehntausende von fremden Arbeitern haben dort Zuflucht gesucht. Die Lohnverhältnisse sind überaus günstig gewesen. Das hat das jugendliche Element, durch die hohen Einkünfte verführt, häufig zum zügellosen Leben geführt. Seit der Revolution ist dieser schwergeprüfte Bezirk aus Streiks und Unruhen nicht mehr herausgekommen. Verschärft wurde die Situation seit der Spaltung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei. Das Organ der neugegründeten kommunistischen Partei, "Der Klassenkampf", in Halle hatte sich vollständig in den Dienst von Moskau gestellt und seinerseits alles getan, um die Bevölkerung im kommunistischen Sinne zu beeinflussen. Alle seit dieser Zeit erschienenen Zeitungen strotzen von Verhetzungen. Auch die Reden der an den elementarsten politischen und wirtschaftlichen Kenntnissen baren kommunistischen Führer haben es vermocht, eine Stimmung in diesem Bezirk zu erzeugen, von der sich der Fernstehende gar kein Bild machen kann. Als Kind des Mansfelder Landes und als langjähriger Hallescher Bürger habe ich die Verhältnisse eingehend beobachten können und bin geradezu erstaunt, wie diese überaus friedlich gesinnte Bevölkerung in einen solchen Haß gegenüber der übrigen Bevölkerung hineingetrieben werden konnte. Die Lehren des Kommunismus, die da gepredigt worden sind, haben tatsächlich ein derartiges Maß von Haß erzeugt, daß das Zusammenleben der Bevölkerung überaus schwierig geworden ist.


6S. 3367C

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