1. Reichstag, Weimarer Republik


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andere Unterbringung nicht möglich ist, produktive Erwerbslosenfürsorge betrieben wird. Das ist deshalb notwendig, um sie nicht wieder in die Arme der ganz radikalen Elemente hineinzutreiben. Ob die Bewegung die letzte sein wird, das wissen wir nicht; aber feststeht, daß von kommunistischer Seite schon wieder Kampffanfaren geblasen werden.10 Die kommunistischen Organe erklären: wir haben zwar eine Schlacht verloren, aber die nächste wird für uns ein Erfolg sein. Von der Vernunft der kommunistischen Führer erhoffen wir also nichts.

(Zuruf bei den Deutschen Demokraten: Sie haben ja keine!)

Wir glauben aber, daß es auch nicht richtig ist, wenn von der anderen Seite jetzt Töne angeschlagen werden, die wahrhaft nicht zur Versöhnung der Bevölkerung beitragen können. Namentlich die Rechtspresse in unserem Bezirk beliebt, wenn sie von demokratisch -kommunistischen Ideen redet, eine Kampfesweise, die empören muß, wenn man uns Demokraten bei jeder Gelegenheit gewissermaßen in einen Topf wirft mit den Kommunisten. Man kann uns aus unserer Haltung gegenüber den Kommunisten wahrhaftig keinen Vorwurf machen. Es tägt auch nicht zur Beruhigung bei, wenn in jenen Zeitungen immer wieder unberechtigte Kritik an den Maßnahmen der Reichsregierung und der preußischen Regierung geübt wird. Man hat sich von der Rechten im preußischen Abgeordnetenhaus über die gesunkene Autorität des Staates und der Regierung beklagt. Denkt man nicht daran, daß dieses fortgesetzte Anklagen immer die Autorität der Regierung aufs neue untergräbt?

(Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.)

Und war diese Bewegung wirklich geeignet, um nun auch eine antisemitische Hetze anzufachen? Es ist in einer Reihe rechtsstehender Zeitungen behauptet worden, es sei doch auffällig, daß die Geschädigten fast nie Juden gewesen seien, und es erwecke den Anschein, als wenn diese Kaufleute die kommunistische Bewegung durch hohe Summen unterstützt hätten, um nur eine Schonung ihrer Geschäfte zu erreichen. Das ist besonders von Eisleben behauptet worden. Vielleicht wird es


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interessieren, wenn ich hier erkläre, daß von den 14 oder 15 geplünderten Geschäften in Eisleben der größte Teil jüdische Geschäfte waren. Also man soll doch mit solchen Anschuldigungen zurückhalten.

(Sehr wahr!)

Wir meinen, daß jetzt die Brücke geschlagen werden muß zwischen der Bürgerschaft und den vernünftigen Elementen in der Arbeiterschaft, daß sich alle ordnungsliebenden, ihrer Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit bewußten Kreise zusammenzufinden haben im einmütigen Kampfe gegenüber diesem kommunistischen Wahnsinn. Dazu ist aber notwendig, daß auf beiden Seiten gegenseitige Duldsamkeit geübt wird, und daß der minderbemittelten Bevölkerung gegenüber in manchen Kreisen noch Eingang finden muß. Wenn dieses Einvernehmen, daß sich jetzt in den letzten Wochen gezeigt hat, in Zukunft vorhanden ist, dann wird auch die friedliebende Bevölkerung in Mitteldeutschland stark sein gegenüber dem etwa noch

kommenden, und nur in dieser Stärke allein sehe ich die wirksamste Überwindung kommender Gefahren. In der Stärkung und Ausbreitung des demokratischen und sozialen Empfindens werden wir die Kraft zur Besiegung des Bolschewismus unseres Vaterlandes finden.

(Beifall bei den Deutschen Demokraten.)

Vizepräsident Dr. Bell: Ich schlage Ihnen vor, die Beratungen dieses Gegenstandes der Tagesordnung nunmehr abzubrechen, da ohnehin nach den Wortmeldungen die Aussprache heute nicht mehr zu Ende geführt werden kann.

(Zustimmung.)