1. Reichstag, Weimarer Republik


Zurück zur Titelseite oder Zurück zur Homepage


Seite 128

A B

Einheits- und Freiheitsbewegung aus dem Vormärz, hätten keinen deutschen Geist?

(Zurufe rechts: Diese Männer säßen heute bestimmt nicht bei Ihnen! - Lachen und Gegenrufe links.)

Ach, jene Männer können Ihnen nicht mehr antworten. Ich bin überzeugt, sie säßen nicht auf den Bänken der Herren, deren politische Vorfahren sie damals mit den brutalen Gewaltmitteln des Metternischen Systems verfolgt haben,

(sehr wahr! Bei den Sozialdemokraten)

die die alten Burschenschaften auseinandergesprengt haben, die diese Männer, die Vorkämpfer der großdeutschen Einheits- und Freiheitsbewegung an den Universitäten gemaßregelt, die Hunderte, die Blüte unseres Volkes, die für die Ideale der schwarz-rot-goldenen Flagge kämpfte, jahrelang eingekerkert haben.

(Zurufe rechts.)

Ich glaube Sie hätten allen Grund, sich diese Beweisführung aus der deutschen Geschichte etwas näher anzusehen. Meine Herren! Zu diesen Männern, die die Vorfahren der Herren auf der Rechten damals gemaßregelt und verfolgt haben, zu diesen Männern, die unter dem schwarz-rot-goldenen Bande gelitten und gestritten haben gehört auch unter anderem Hoffmann v. Fallersleben, der Dichter des "Deutschland, Deutschland über alles"8.

(Hört! Hört! bei den Sozialdemokraten.)

Und wenn er davon spricht,

(Zurufe rechts: das singen Sie doch nicht!)

ehe alle Deutschen sich einigen, von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt, dann war das Band, das sie vereinen sollte, das schwarz-rot-roldene Band. Sie, meine Herren, die sie dieses Lied glauben als Kampflied singen zu können gegen die schwarz-rot-goldene Sache, Sie sollten sich vor allen Dingen an diese Tatsachen erinnern, wenn Sie sich herausnehmen, die schwarz-rot-goldene Flagge als ‚republikanischen Schmutzlappen' und wie all' die schönen Bezeichnungen in Ihrer Presse heißen, herunterziehen.

(Sehr richtig! Bei den Sozialdemokraten.)

Jene Männer, erfüllt von deutschem Geist, haben die schwarz-rot-goldene Fahne aufgenommen, sie haben unter ihr gekämpft, sie haben sie hochgehalten in der schlimmsten Zeit der Metternischen Reaktion. Und meine Herren, es ist wirklich eine Satire, ja, man kann es nur als einen Hohn auf die geschichtliche Wahrheit ansehen, wenn die politischen Nachfahren der Vertreter der altständischen Interessen, die damals unter der Führung Metternichts die Vorkämpfer der großen deutschnationalen Einheitsbewegung verfolgt, niedergetreten und eingekerkert haben, sich heute das Schild ‚deutschnational' als Parteischild vorhängen.

(Sehr gut! Bei den Sozialdemokraten.)

die Anhänger der deutschen Einheitsbewegung bekämpften, sich heute das Schild "deutschnational" als Parteischild vorhängen.

(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.)

Das ist in der Tat eine Satire auf die geschichtliche Wahrheit.

(Zurufe rechts.)


8S. 4168A

vorige

- Ach, Sie wollen nicht die Nachfahren der Altkonservativen sein?

(Rufe rechts: Nein! Singen Sie denn überhaupt das Deutschlandlied?)

- Ja, das singen wir auch!

(Lachen und Zurufe rechts: Nanu!)

Wir singen "Einigkeit und Recht und Freiheit"! Das ist unser Panier. Wenn wir das Lied mitsingen, dann singen wir es im Sinne des Dichters Hoffmann v. Fallersleben.

(Sehr wahr! Bei den Sozialdemokraten.)

Die Art, wie Sie es mißbrauchen, ist leider geeignet, auch dieses schöne Lied dem deutschen Volke zu verekeln.

(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, die Nutznießer des altständischen Staates, die Bundesfürsten und ihr Anhang, die feudalen, privilegierten Herren, die hohe Bureaukratie, haben im Jahre 1806 das Deutsche Reich begraben und gleichzeitig damit auch seine Hoheitszeichen, seine Wappen und das Reichspanier verscharrt. Es waren die deutschen Burschenschaften und die damalige wirkliche deutschnationale Bewegung, die diese Wahrzeichen der deutschen Einheit wieder aufnahmen und unter ihnen fochten. Es sind die ältesten Wahrzeichen des deutschen Einheitsgedankens, darum wurden sie aufgenommen zugleich mit der Forderung nach dem neuzeitlichen Verfassungsstaat, mit dem Verlangen nach Demokratie. Denn die deutsche Einheitsbewegung ist wie die jedes anderen Landes von der Demokratie geboren, von der Demokratie emporgetragen worden. Die Demokratie war ihre stärkste Vorkämpferin gegen die Elemente von rechts, gegen die Vertreter des altständischen Staates. In der tiefsten Finsternis leuchteten jenen Männern die Farben der deutschen Einheit voran. Als dann das Jahr 1848 hereinbrach, als die politischen Vorfahren der Herren von rechts sahen, daß sie trotz aller ihrer Polizeimaßnahmen den Geist nicht ertöten konnten, wie es im Liede heißt, den Geist, der sich um das schwarz-rot-goldene Banner scharte, bekamen sie es mit der Angst. Als die Februarereignisse 1848 in Paris einsetzten, als sich in Deutschland die Stürme ankündigten, trat schleunigst die alte Bundesversammlung zusammen und erließ am 8. März 1848, also bevor der Sturm in Berlin losging und bevor es eine Nationalversammlung gab, auf Antrag des preußischen Gesandten folgenden Beschluß: Die Bundesversammlung erklärt den alten deutschen Reichsadler mit der Inschrift Deutscher Bund und die Farben des ehemaligen deutschen Reichspanier, Schwarz-Rot-Gold, zum Wappen des Deutschen Bundes. Dann ordnete die Bundesversammlung an, daß diese Abzeichen sofort in allen Bundesfestungen angebracht, von den Bundestruppen als Abzeichen getragen und in den Siegeln der Behörden geführt werden sollten.

(Hört! Hört! bei den Sozialdemokraten.)

Da besannen sich die hohen Herrschaften mit einem Male auf die alten guten Zeichen der deutschen Einheit und wollten damit den Sturm bannen. Nun, das gelang ja nicht. Am 13. März wurde von den Burschenschaften das schwarz-rot-goldene Banner auf dem Stephansturm in Wien gehisst, am 19. auf dem Kölner Dom von den rheinischen Demokraten. Am 18. ging es in Berlin los, und vom 20. März 1848 ab wehten die schwarz-rot-goldenen Banner auf allen Staatsgebäuden in Berlin.


nächste