1. Reichstag, Weimarer Republik


Zurück zur Titelseite oder Zurück zur Homepage


Seite 130

A B

Sozialdemokraten als Menschen "nicht wert, den Namen Deutsche zu führen" bezeichnete und behandelte.

(Sehr wahr! Bei den Sozialdemokraten.)

Wollen Sie sich wundern, daß die Arbeiterdemokratie darum dieses Zeichen eines Obrigkeitsstaates, der mit dem Hammer seiner Polizeigewalt die Arbeiterbewegung zu vernichten suchte, nicht liebte, nicht dafür begeistert ist?

(Zuruf von den Deutschnationalen: Soziale Gesetzgebung - Zuruf von der Deutschen Volkspartei: Die Arbeiter sind unter der schwarz-weiß-roten Fahne begeistert in den Krieg gezogen!)

- Herr Kollege Everding, wenn Sie die Dinge miterlebt hätten,

(Zurufe von der Deutschen Volkspartei: Sie sind begeistert in den Krieg gezogen und haben unter der Fahne geblutet! Gegenrufe bei den Sozialdemokraten.)

- wenn Sie die Dinge so miterlebt hätten,

(Zuruf von der Deutschen Volkspartei: Denken Sie an den August 1914!)

- wenn Sie die Dinge miterlebt hätten vor dem 4. August, und nach dem 4. August und den Krieg hindurch wie wir in der sozialdemokratischen Arbeiterschaft, in der deutschen Arbeiterdemokratie daringestanden hätten, dann würden Sie das nicht sagen. Es war einer der größten Schwächen Deutschlands

(sehr wahr! Bei den Unabhängigen Sozialdemokraten)

im Kampf gegen die westlichen Demokratien, daß das deutsche Volk einen Riß in sich trug, daß es kein großes, starkes, gemeinsames Nationalbewusstsein hatte.

(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten. - Gegenrufe rechts.)

Das war eine Schwäche. Sie war erzeugt unter dem Bismarckschen System,

(sehr wahr! Bei den Sozialdemokraten)

das die Arbeiterdemokratie niederschlagen wollte, das uns außerhalb der staatsbürgerlichen Ehrenrechte gestellt hatte. Glauben Sie, daß diese Jahrzehnte and er Seele der deutschen Arbeiterschaft unberührt vorübergegangen seien?

(Zuruf von der Deutschen Volkspartei: Im August 1914 haben Sie solche Reden nicht gehalten, Herr Dr. David! Das hätten Sie wagen sollen! - Zustimmung rechts. - Gegenrufe bei den Sozialdemokraten.)

Die deutsche Demokratie hat trotzdem ihre Pflicht getan, und das ist ihr hohes Verdienst.

(Zustimmung bei der Deutschen Volkspartei.)

Sie hat allen Groll damals heruntergewürgt und hat in der Gefahr in einer Front gestanden. Aber vergessen? - vergessen war das nicht,

(sehr richtig! bei den Sozialdemokratie)

was unter dem schwarz-weiß-roten Banner gegen die Arbeiterschaft gesündigt worden ist!

(Zurufe rechts: machen Sie die Arbeiter nicht schlechter als wie sie waren! Soziale Gesetzgebung!)


vorige

- Meine Herren, die schwarz-rot-goldene Fahne ist ja nicht an die Stelle der schwarz-weiß-roten getreten. Auch das ist nicht richtig. An die Stelle der schwarz-weiß-roten hat die siegreiche Revolution im November die rote Fahne gesetzt.

(Zurufe rechts.)

Sie war gehisst auf allen Staatsgebäuden in ganz Deutschland, auch auf dem Hotel Adlon und auf anderen großen Privatgebäuden war sie wochenlang gehisst. Die rote Fahne hat die schwarz-weiß-rote verdrängt. Glauben Sie, daß es nun in Weimar möglich gewesen wäre, die rote Fahne wieder herunter zu holen und die schwarz-weiß-rote Fahne wieder an ihre Stelle zu setzen?

(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten. - Zurufe bei der Deutschen Volkspartei: Ja, es war nah dran! - Heiterkeit links.)

- Halten Sie das psychologisch für möglich? 12

(Zuruf rechts: ja!)

Es genügt, sich diese Situation vorzustellen, um zu sehen, welche Bedeutung die schwarz-rot-goldene Flagge hatte. Wollen Sie weiter bedenken, meine Herren, daß diese Flagge sich durchsetzen musste auch gegen links. Die Fahne der Arbeiterdemokratie, die Fahne der Sozialdemokratie ist die rote Fahne. Sie gilt zugleich als internationales Zeichen der Klassensolidarität in der Idee des Sozialismus. Wir sagten uns in unserer Partei, daß sie darum nicht gut Nationalzeichen sein könne und daß es auch nicht denkbar sei, daß wir das gesamt deutsche Volk auf das gemeinsame nationale Zeichen der roten Fahne einigen könnten.

(Heiterkeit rechts.)

Weil wir das einsahen, deshalb waren wir so verständig und kämpften den Gedanken nieder und wählten dafür die schwarz-rot-goldenen neutralen allgemeinen deutschen Farben. Konnten Sie von rechts da nicht der gleichen Einsicht fähig sein? Das wäre für das deutsche Volk gut gewesen. Es würde manche Verbitterung erspart haben. Warum haben wir denn so großen Wert darauf gelegt, daß die schwarz-rot-goldene Fahne blieb und daß sie verteidigt werden müsse? Weil sie neben der großdeutschen nationalen Einheit auch die Demokratie verkörpert und weil die Demokratie damals leider auch gegen links verteidigt werden musste, gegen den Gedanken der Diktatur, der unter der roten Fahne focht. So wurde die schwarz-rot-goldene Fahne zum Bannerzeichen der Demokratie. Wir mussten den Gedanken der Wahl einer deutschen Nationalversammlung erst durchkämpfen. Alles das stand doch damals in Frage. Wollen Sie sich gefälligst alle diese historischen Tatsachen vergegenwärtigen, dann werden Sie begreifen, daß für die Einigung unseres Volkes in dieser schweren Zeit kein anderes Zeichen gegeben war als das der schwarz-rot-goldenen Fahne. In diesem Zeichen allein kann auch in Zukunft nur eine innere nationale Einigung unseres Volkes erzielt werden, unter keinem anderen! Das liegt für jeden, der klar sieht, auf der Hand. So war es vor Weimar und in Weimar. Wie ist es nun aber nach Weimar geworden? War schon vor Weimar Schwarz-Weiß-Rot die Fahne des Obrigkeitsstaates, der die Sozialdemokratie mit Ausnahmegesetzen und Ausnahmebehandlungen nieder-halten wollte, so ist sie nach Weimar erst recht zur ausgesprochenen Kampffahne der monarchischen Reaktion geworden.

(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten. - Abgeordneter D. Mumm: Das haben Sie schon in Weimar gesagt.)


12S. 4170C

nächste