1. Reichstag, Weimarer Republik


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- Die Bewegung hat bereits in Weimar eingesetzt, und danach hat sich das, was ich damals andeutete voll bewahrheitet. Herr Kollege.13 Überall, wo gegen die Republik angegangen wird, erscheinen die schwarz-weiß-roten Fahnen, Fähnchen und Schleifchen. Kapp, der den ersten Vorstoß gegen die Republik unternahm, ist mit der schwarz-weiß-roten Fahne in Berlin eingezogen. Er hat sie aus allen Staatsgebäuden heraushängen lassen. Und da glauben Sie, nachdem Sie dieses Schwarz-Weiß-Rot zur ausgesprochenen Kampffahne gegen die Republik gemacht haben, Sie könnten für dieses Zeichen bei der Arbeiterschaft die Anerkennung als allgemeines Zeichen der deutschen Volkseinheit durchsetzen? Das ist gänzlich ausgeschlossen.

(Zuruf rechts: Sehr viele Arbeiter wollen das!)

- Das wird sich ja finden. Wen Sie die Arbeiter in die Rechnung einsetzen, wird auf unserer Seite der weitaus größere Posten sein. Ich glaube, das wissen Sie selber. Die Wirkung nach innen, die jeder Angriff auf die schwarz-rot-goldene Fahne hervorrufen muß, ist ein wachsendes Mißtrauen der Arbeiterdemokratie, ist steigender Groll, wachsende Erbitterung. Das heißt, eine Entwicklung einleiten und fördern, an deren Ausgang wir unser Volk wieder in zwei Lager zerrissen sehen, die sich mit Wut im Herzen gegenüberstehen, bereit, von neuem übereinander herzufallen. Wer will, der mag diesen Weg gehen, Wer das nicht will, muß auf den Boden der Verständigung von Weimar bleiben.

(Zuruf rechts: Sie haben ja den Anfang dazu gemacht!)

- wir haben den Anfang gemacht?

(Zuruf rechts: Die Fahne war ja vorher Schwarz- Weiß-Rot!)

Die Fahne Schwarz-Weiß-Rot ist zusammengebrochen mit dem alten System, und den Zusammenbruch haben verschuldet.

(Sehr richtig! links. - Lebhafter Widerspruch rechts.)

Sie haben diesen Zusammenbruch verschuldet.

(Erneute lebhafte Zustimmung links. - Rufe rechts: Ihre Revolution ist daran schuld! - Fortgesetzte erregte Zwischenrufe links und rechts.)

Sie haben den Zusammenbruch verschuldet.

(Abgeordneter Graf Westarp: Sie haben ihn verschuldet - Lachen und Gegenrufe links.)

- Herr Graf Westarp, Sie können ja gar nicht wissen, was damals in Berlin vorgegangen ist, Sie sind ja schleunigst mit einem Wegzeichen der revolutionären Behörden auf Ihre Güter geeilt.

(Abgeordneter Graf Westarp: Verleumdung! - Glocke des Präsidenten.)

Präsident: Herr Graf Westarp, der Ruf "Verleumdung" verstößt gegen die parlamentarische Ordnung.

(Lebhafte Zurufe rechts und links.)

- Ich bitte um Ruhe.

Dr. David, Abgeordneter: Meine Damen und Herren! Der Zusammenbruch der schwarz-weiß-roten Fahne, und des Systems, das sie repräsentierte, ist die Folge einer


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Politik gewesen, die nicht verstand, die Liebe des gesamten Volkes zu gewinnen und die noch während des Krieges alles tat, um die Gegensätze in unserem Volke wieder aufzureißen,

(Sehr richtig! links; Zuruf rechts: Ist Ihre Hetze etwas anderes?)

und die bis zuletzt diese verblendete Politik fortgesetzt hat. bis das Ganze wie ein Kartenhaus in sich selbst zusammenbrach.

(Sehr wahr! links.)

Und als es zusammenbrach, da war es innerlich so schwach und so verfault, daß von allen diesen Herren, die heute wieder das große Wort führen, keiner es wagte, die schwarz-weiß-rote Fahne in den Novembertagen zu erheben und zu versuchen, das alte System zu retten.

(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Meine Damen und Herren! Sie haben mich genötigt durch Ihre Zwischenrufe, auch auf diese Vergangenheit einzugehen. Ich wollte das eigentlich nicht. Ich wollte Ihnen nur sagen: Jeder Freund unseres Volkes und unseres Vaterlandes muß wünschen, daß nicht eine Entwicklung gefördert wird, die zu einem zweiten inneren Zusammenbruch dieser Art führt.

(Zuruf rechts: Die fördern Sie!)

Unser ganzes Volk war von den Novembertagen ab darauf gerichtet, eine solche Entwicklung zu verhüten.

(Lachen rechts.)

Das haben wir in den kritischen Tagen dieser Geschichte durch die Tat gezeigt. Wir haben uns gegen links geworfen, wo die Diktatur gegen die Demokratie, gegen das System der legalen Verständigung vertreten wurde, und wir, nicht Sie, haben die Nationalversammlung durchgesetzt. Wir haben verhütet, daß sich die Dinge in das Schlimmste hinein entwickelten und eine Kette von blutigsten, revolutionären Kämpfen über das Volk dahingegangen wäre. Die aber, die diese Politik der Verständigung und diese historische Leistung nicht anerkennen, die verblendet genug sind, sie nicht zu sehen, die alles das vergessen haben und auf eine Entwicklung hindrängen, die wiederum zu einer solchen Zuspitzung der Gegensätze führen muß, die trifft die ganze Verantwortung, wenn das deutsche Volk wie Frankreich fast hundert Jahre hindurch immer wieder durch Revolutionen hindurchgehen muß. Jeder Freund unseres Landes muß das zu verhindern suchen. Meine Damen und Herren! Aber das, was in letzter Zeit von Ihrer Seite geschieht, das erweckt allerdings den Eindruck, als ob Sie mit Absicht Ihre Politik darauf einstellen, eine derartige Verschärfung der Lage herbeizuführen.

(Zuruf rechts: Sie schüren das ja!)

Wir haben diesen Antrag nicht eingebracht, wir haben auf der Vereinbarung von Weimar beharrt. Sie machen den Vorstoß, nicht wir. Ich verteidige hier die Verfassung gegen Sie.

Präsident: Meine Damen und Herren! Die Frage wird nach der Abstimmung geklärt werden müssen. Die Herren Staatsrechtslehrer lade ich inzwischen ein, diese schwierige Frage zu klären.

(Heiterkeit.)

Ich möchte bitten, daß wir inzwischen mit der sachlichen Debatte fortfahren.


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