1. Reichstag, Weimarer Republik


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Seite 132

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Dr. Oberfohren, Abgeordneter: Meine Damen und Herren! 14 Ich habe nicht die Absicht, meinem Herrn Vorredner auf das hochpolitische Gebiet zu folgen,

(Zurufe von den Sozialdemokraten)

auf das er diese wirtschaftlich-technische Angelegenheit geschoben hat. Er hat allerdings Virtuosität entwickelt, bei der Besprechung dieses Antrages, der eine wirtschaftlich-technische Angelegenheit regelt, Dinge vorzubringen, die mit dem Gegenstand selbst nicht das geringste zu tun haben.

(Sehr richtig! rechts.)

Im übrigen, glaube ich, braucht man auf die Ausführungen des Herrn Dr. David auch deshalb nicht einzugehen, weil er diese Rede schon am 2. Juli 1919 fast wörtlich genau so gehalten hat.

(Große Heiterkeit rechts.)

Er hat damit ausschließlich dokumentiert, daß er in den zwei Jahren, die nunmehr verflossen sind, nichts gelernt und nichts vergessen hat.

(Sehr richtig rechts. - Zurufe von den Sozialdemokraten.)

Wenn er uns das ausdrücklich dokumentieren wollte, so war das nicht nötig; denn das wussten wir längst. Im übrigen will Ich darauf verzichten auf die historischen Reminiszenzen, die er hier zum besten gegeben hat, einzugehen.

(Zurufe von den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

- Nein, sie standen fast durchschnittlich auf derselben Höhe wie seine flaggentechnischen Kenntnisse; Herr Dr. David hat schon in der Nationalversammlung -

(Zurufe von den Sozialdemokraten: Sie Schulmeister!)

- ja, von dem Schulmeister können Sie noch viel lernen,

(große Heiterkeit links)

gehen Sie nur bei ihm in die Schule! - er hat auch am vorigen Freitag

(Zuruf von den Sozialdemokraten)

er hat noch am vorigen Freitag in einem Aufsatz im "Vorwärts" ebenso wie heute gesprochen von der "Gösch". Herr Dr. David ich muß Ihnen allerdings belehrenderweise mitteilen, daß das, was Sie unter Gösch verstehen, in seemännischen Kreisen überhaupt keine Gösch ist,

(hört! Hört! Rechts; Zurufe von den Unabhängigen Sozialdemokraten)

sondern die Gösch weht am Vordersteven eines Schiffes, wie zum Beispiel die Flagge von Hamburg und Bremen am Bug eines Schiffes gefahren wird.

(Heiterkeit und Zurufe links.)

Meine verehrten Damen und Herren! Das ist selbstverständlich in meinen Augen auch eine äußerliche Angelegenheit; aber wer hier als Sachverständiger in Flaggenfragen auftritt,

(Heiterkeit links)

der muß doch die allgemeinen Vorkenntnisse haben,

(Heiterkeit links)

wenn er sich in sachverständigen Kreisen nicht geradezu lächerlich machen will.

(Sehr wahr! Rechts.)


14S. 4172C

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Natürlich ist das auch in meinen Augen eine äußerliche Angelegenheit; aber wer hier als Sachverständigen in Flaggenfragen auftritt,

(Heiterkeit links)

der muß doch die allereinfachsten Vorkenntnisse haben,

(erneute Heiterkeit und Rufe links)

wenn er sich in sachverständigen Kreisen nicht geradezu lächerlich machen will.

(Sehr wahr! rechts.)

Ich bitte sie, die Dinge doch sachlich zu betrachten und diesen Antrag als das zu nehmen, was er ist, nämlich al den Versuch, schwere Gefahren von der Handelsschiffahrt zur See abzuwenden. Man kann nach meiner Ansicht sehr wohl den Irrtum einer Stunde wieder gutmachen. 15

(Lebhaftes Bravo rechts.)

Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Breitscheid.

Dr. Breitscheid, Abgeordneter: Meine Damen und Herren! 16 Nun erklären die Herren Antragsteller, ihr Antrag habe gar keine politische und vor allen Dingen keine parteipolitische Bedeutung. 17 Sie geben ihm die Bezeichnung eines rein technischen Antrags. Sehen wir uns doch einmal die Begründung des Antrags an, um festzustellen, wie weit eine solche Auslegung zulässig ist. Es steht da, die Verordnung müsse zurückgenommen werden, weil dadurch eine Veränderung der alten Handelsflagge der Wiederaufbau der deutschen Seeschiffahrt, die Wiederanknüpfung überseeischer Handelsbeziehungen und die Gemeinschaft der Auslandsdeutschen mit ihrer alten Heimat gefährdet würden. Ich für meine Person kann eine solche Begründung schlechterdings nicht ernst nehmen. Sie ist so fadenscheinig, daß nicht der Verdacht, sondern die absolute Sicherheit vorliegt: hinter diesen Scheingründen stehen andere wahre Gründe, die vorzutragen und offen auszusprechen Sie, meine Herren, vorläufig die Zeit noch nicht für gekommen halten.

(Sehr wahr! links.)

Die Gemeinschaft der Auslandsdeutschen mit ihrer Heimat soll dadurch gestört werden, wenn in der nach wie vor schwarz-weiß-roten Handelsflagge ein Vierundzwanzigstel des gesamten Flaggenumfangs schwarz-rot-gold - nach Ihrer Meinung - "verunziert" ist! Ja, wenn die Auslandsdeutschen nur an dieser Flagge kleben, dann muß ich sagen, ist es mit ihren Sympathien außerordentlich schlecht bestellt.

(Sehr richtig! links.)

Was bedeutet es denn: 18 die Auslandsdeutschen werden in ihren Beziehungen zur Heimat durch das schwarz-rot-goldene Vierundzwanzigstel der Flagge beeinträchtigt? Bedeutet das, daß die Auslandsdeutschen unbedingt eine schwarz-weiß-rote Fahne haben wollen, und bedeutet das weiter, daß sie die schwarz-wie´ß-rote fahne deswegen haben wollen, weil es für sie die Symbolisierung des


15S. 4174D
16S. 4174D
17S. 4175D
18S. 4176A

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