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Man kann ja ungefähr, wenn man eine gewisse Kombinationsgabe hat, über die ich ja verfüge,
(Heiterkeit rechts)
sich das zusammenrechnen. Es schien so, als ob diese Polizeibeamten etwa die angesetzte Belohnung dadurch hätten erschleichen
wollen, daß sie die Spur der Staatsanwaltschaft auf eine falsche Fährte gelenkt haben. Wir fragen also, um Klarheit zu haben:
wie steht es mit dem Erzberger-Prozeß?
Und noch ein zweites, Herr Minister. Wir fragen weiter. Der Herr Reichskanzler und die ganze Regierungspresse hat über
die deutschnationale Mörderzentrale geklagt, die natürlich nur in den Gehirnen der Herrschaften besteht. Wir fragen deshalb an -
(Abgeordneter Dr. Rosenfeld: Sie wissen es doch,
Sie brauchen doch nicht zu fragen! - Lachen bei
den Deutschnationalen.)
- Herr Kollege Rosenfeld, wenn ich es wüßte, würde ich nicht fragen.
(Heiterkeit bei den Deutschnationalen.)
Ich frage also den Herrn Minister: Was ist mit den Untersuchungen über das Vorhandensein von angeblichen deutschnationalen
Mörderzentralen in München oder Süddeutschland herausgekommen?
Und ein drittes: Mein Freund Graf Westarp hat über den unerhörten Versammlungsterror geklagt, dem meine Partei seit
Monaten ausgesetzt ist. Etwa 70 Fälle hat er aufmarschieren lassen.
(Zuruf von den Kommunisten: das ist wenig!)
- Das ist nur ein Bruchteil von dem, was sich ereignet hat, aber immerhin etwas. Wir haben kürzlich eine Antwort bekommen,
die sich auf etwa 5 bis 6 Fälle beschränkt und die äußerst dürftig ist. Wir fragen deshalb an: ist jetzt, nachdem 6 bis 8 Wochen
ins Land gegangen sind, die Regierung in der Lage, anzugeben, ob in diesen Fällen des unerhörten Versammlungsterrors die
Staatsanwaltschaft den Tätern den Prozeß gemacht haben?
Das sind die drei Fragen, deren Beantwortung wir von dem Herrn Minister wünschten.
(Zuruf von den Kommunisten: Fragen Sie doch noch
ein bißchen!)
Meine Damen und Herren! Das Kesseltreiben der Regierung gegen uns ist uns im allgemeinen recht wohl bekommen. Das haben die
Berliner Wahlen, die Wahlen in Baden und Hessen zur Evidenz erwiesen. Also wenn wir eine Parteipolitik treiben wollten, könnten
wir sehr wohl mit ansehen, daß die Verordnung weiter bestehen bleibt. Wir könnten uns dabei, parteipolitisch betrachtet, recht
wohl und munter fühlen. Aber darum ist es uns nicht zu tun. Wenn wir den Antrag auf Aufhebung stellen, ist es uns zu tun um die
wirkliche Freiheit der Presse, die Ihnen (nach links) allerdings hier gleichgültig zu sein scheint. Wir wollen mit unserem Antrage
die Pressfreiheit in Deutschland, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Schutz nehmen gegen diejenigen, die sie stets im Munde
führen. Deshalb bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
(Lebhafter Beifall bei den Deutschnationalen.-
Zurufe von der äußersten Linken.)
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Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Haas (Baden).
Dr. Haas, Abgeordneter: Meine Damen und Herren! Wie krankhaft unsere Zeit ist und wie sehr wir in außergewöhnlichen
Zuständen leben, hat die Rede des Abgeordneten Graef deutlich bewiesen.8 Denn wenn ein ernsthafter Mann hier an dieser
Stelle offenbar auf ganz leeres Gerede hin offensichtlich unwahre Behauptungen aufstellt,
(hört! Hört! bei den Sozialdemokraten)
dann ist das nur so zu erklären, daß eben die Krankheitserscheinungen unserer Zeit auch an ihm nicht spurlos vorübergegangen sind.
Sie haben folgende Ausführungen gemacht9 , Herr Kollege Graef. Sie haben gesagt: Nach der Ermordung von Erzberger
wochenlang ein wilder Lärm: die Deutschnationalen seien moralisch verantwortlich für die grässliche Tat; in den
letzten Wochen sei es still geworden, die Behauptungen seien verstummt, und Sie hätten eine Erklärung dafür. Das
erkläre sich dadurch, daß einige Polizeibeamte verhaftet worden seien; sie hätten offenbar falsche Angaben gemacht,
um eine Belohnung zu erschleichen. Wenn ihre Ausführungen einen Sinn haben, so konnte der Sinn nur der sein: alles
was früher an Beweismaterial als richtig angenommen wurde, hat sich als Lügengebäude herausgestellt, das Polizeibeamte
errichtet haben, um die Belohnung zu erschleichen. - Ich weiß, das ähnliche Behauptungen, wie Sie sie hier an dieser
Stelle vorgebracht haben, von Mund zu Mund getragen worden sind.
(Sehr richtig! Bei der Bayrischen Volkspartei.)
Ich weiß, daß die Zeit so krank und die Menschen so wahnsinnig sind, daß man sich sogar zugeflüstert hat: die Mörder stehen
nicht etwa in Verbindung mit irgendwelchen rechtsradikalen Kreisen, nein, sie stehen dem Zentrum nahe. Und es hat Menschen
gegeben, die durch diese Zeit so krank geworden sind, daß sie den Wahnsinn geglaubt haben.
Nun, Herr Kollege Graef, was ist denn nun eigentlich wahr? Wahr ist, daß zwei preußische Polizeibeamte von einem
Dienstmädchen einige Papierstücke bekamen, die sich für den Untersuchungszweck als wichtig herausgestellt haben,
und daß sie die Papierstücke vorgelegt haben mit der Meldung: sie, die beiden Polizeibeamten, hätten diese
Papierstücke gefunden; sie haben verschwiegen, daß das Dienstmädchen ihnen diese Papierstücke gegeben hat. Bei
einer Untersuchung einige Tage später fand man noch weiteres wichtiges Material, und der Untersuchungsrichter
erklärte: Wenn die Polizeibeamten mir gleich erklärt hätten, nicht sie hätten die Untersuchung vorgenommen, sondern
das Dienstmädchen habe ihnen die Zettel gegeben, hätte ich sofort eine weitere Nachforschung angeordnet: die Leute
haben mich angelogen, indem sie gesagt haben, sie hätten gesucht und sie hätten gefunden. Und wegen dieser dienstlichen
Unwahrheit sind die Beamten nicht etwa verhaftet worden, sondern wegen dieser Sache schwebt
8S. 5282D
9S. 5283B
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