1. Reichstag, Weimarer Republik


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Seite 191

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Gründen eine reine Unmöglichkeit - um nicht zu sagen eine Unsinnigkeit darstellt.

(Sehr gut!)

Wir haben uns die Frage vorzulegen 4 , ob die Verträge, die uns auferlegt sind, in ihrem Wortlaut und Sinne es gestatten, daß das Ausland, so wie es hier geschehen soll, in die Exekutive der deutschen Regierung, in die Hoheitsrechte der Nation und in die gesetzgeberischen Befugnisse des Deutschen Reichstags eingreift.

(Sehr richtig!)

Ich will diese Frage mit einem anderen Punkt der Bedingungen verbinden, der unter der Überschrift "Überwachung" enthalten ist und der in den verschiedenen Staffeln der deutschen Steuer- und Tariferhebung eine ausgedehnte Überwachung der Steuerveranlagung und Steuererhebung vorsieht. Ich erachte es als mit dem Selbstbestimmungsrecht eines Volkes und mit der Ehre einer großen Nation für unvereinbar, daß man ihr fremde Organe zur Überwachung der einzelnen Zweige bestimmter ziviler Verwaltungen beigibt.

(Zustimmung.)

Wir haben auf dem Gebiet der Kontrollkommission schon so trübe Erfahrungen hinter uns,

(sehr wahr!)

daß es niemand bei uns verstehen würde, wenn dieses schikanöse, kostspielige, gänzlich unproduktive System

(lebhafte Zustimmung)

auch auf die deutsche Zivilverwaltung ausgedehnt würde.

(Starker Beifall und Zustimmung.)

Wir haben auf Grund des Friedensvertrages schon jetzt in Deutschland eine große Anzahl von Ententesoldaten, von einfachen Soldaten, sage ich, deren Einkommen den dreifachen Betrag desjenigen eines hohen deutschen Ministerialbeamten ausmacht.

(Lebhafte Rufe: Hört! Hört!)

Wenn ich mir diese tieftraurige und doch auch wieder lächerliche Tatsache dahin ausgedehnt denke, daß nach dem Willen der Reparationskommission von nun an bei jeder größeren Steuerbehörde in Deutschland Kontrollorgane der Alliierten in Funktion treten sollen, so kann ich dies nur als eine Zumutung bezeichnen, der sich keine deutsche Regierung im Interesse unseres verarmten und notleidenden Volkes unterwerfen darf.

(Stürmischer Beifall.)

Hergt, Abgeordneter: 5 Meine Damen und Herren! Wenn wir heute zu der Note der Reparationskommission vom 22. März dieses Jahres Stellung nehmen sollen, so müssen wir uns vor dem Irrtum hüten, als ob es sich bei dieser Note um ein

Einzelereignis auf dem Gebiet der Reparationslasten, um eine Spezialaktion einer bestimmten Kommission handle.

(Sehr richtig! Bei den Deutschnationalen.)


4S. 6617A
5S. 6623C

vorige

Nein, diese Note muß in Zusammenhang mit einer großen Anzahl anderer Ereignisse betrachtet werden, und dabei ergibt sich, daß sie nur ein Glied einer einheitlichen Kette von Verstößen gegen Deutschland ist, ein Teil einer zielbewussten Gesamtaktion, einer Generaloffensive Frankreichs.

(Lebhafte Zustimmung bei den Deutschnationalen.)

Wir stehen seit wenigen Wochen direkt in einem Trommelfeuer von Überfällen von französischer Seite.

(Sehr richtig! Bei den Deutschnationalen.)

Ich erinnere an die unzähligen Vorwürfe, die von führenden Ministern Frankreichs, von Mitgliedern der Kammer gegen Deutschland erhoben worden sind, als ob es in Waffen starre, als ob es böswillig seine Schulden nicht bezahle und der gleichen mehr. Meine Damen und Herren!6 Das sind nicht Einzelereignisse, sondern das ist eine Gesamtaktion,

(wiederholte Zustimmung bei den Deutschnationalen)

und alle diese einzelnen Verstöße sind nur Symptome dafür, wie Frankreich Oberwasser erhalten hat und wie es sich heute als Herr der Situation fühlt,

(sehr richtig! Bei den Deutschnationalen)

wie blind England gewesen ist, als es bei den Versailler Friedensverhandlungen uns so ohnmächtig und Frankreich so groß werden ließ.

(Sehr gut! Bei den Deutschnationalen.)

u

nd wie trotz der heute vielleicht noch vorhandenen Scheingröße das englische Imperium nahe daran ist, mit dem Krieg, den es gegen uns geführt hat, einen anderen Krieg gegen Frankreich endgültig zu verlieren,

(sehr wahr! Rechts)

wenn es sich nicht im letzten Augenblick noch besinnt, wenn es nicht aus seiner schwankenden Politik zu einer systematischen und zielbewussten Politik übergeht, die dann selbstverständlich von Deutschland auch andere Garantien voraussetzen würde, als sie bisher von deutscher Seite gegeben worden sind.

(Lebhafte Zustimmung bei den Deutschnationalen.)

Ich wiederhole: wir sehen vor uns den Aufmarsch Frankreichs zum Endkampf, und so ist auch die Note der Reparationskommission in unserem Volke empfunden worden. Instinktmäßig hat man herausgefühlt, daß hier die letzte Entscheidung naht, und die Erregung, von der vorhin auch der Herr Reichskanzler gesprochen hat, ist eine gewaltige, ist eine riesengroße gewesen, viel größer, als sie hier aus den Zwischenverhandlungen des Parlaments hätte entnommen werden können.

(Sehr richtig! Bei den Deutschnationalen.)

Aber nach diesem ersten Eindruck, nachdem wieder einmal die Volksbewegung, die da war, nicht in der rechten Weise fortgeführt und angefacht worden ist, da wurde abgeblasen, da hieß es wieder, man müsse


6S. 6523C

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