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glaube, die Hauptschuld daran trifft die Partei, die überall ihre nationale Gesinnung am lautesten in die Welt ruft. Die
Deutschnationalen sind es gewesen, die durch die unglaubliche Rede des Herrn Dr. Reichert diese Debatte eingeleitet haben,
und Herr Dr. Helfferich war es, der von dieser Stelle aus eine tiefbedauerliche Rede gehalten hat,
(sehr richtig! Bei den Sozialdemokraten)
die in den besetzten Gebieten wie eine Brandfackel wirken muß.
(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)
Wenn Herr Dr. Helfferich gewollt hätte, in die mühsam zusammengekettete und Zusammengehaltene Einheitsfront der Parteien im
Rheinland eine tiefe Kluft zu reißen, schlimmer hätte er seine Rede auch nicht halten können.
(Sehr richtig! Bei den Sozialdemokraten.)
Herr Dr. Helfferich hat seine Rede begonnen mir einem umgemodelten Zitat aus unseren Klassikern und hat gesagt:
"Deutschlands ganzer Jammer faßt mich an." Ich stelle diesem Jammer des Jahres 1922 das Bild des geachteten, gerühmten
großendeutschen Kaisertum gegenüber und sage, dieses Kaisertum steigt vor unsere Seele. Es ist der alte Vergleich, den
Herr Helfferich zieht. Wir haben darauf zu antworten: Wer hat uns denn, um es zum zehntausendsten male zu sagen,
hineingeführt in diesen Jammer, den wir alle mitempfinden?
(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)
Die Diplomatie des Kaiserreichs hat die imperialistische Politik geführt, die an dem Krieg und damit an dem Jammer mitschuldig ist.
(Sehr wahr! Bei den Sozialdemokraten.)
Nicht Republikaner, nicht Sozialisten, sondern Ihre Parteifreunde, Ihre junkerliche Diplomatie ist verantwortlich für das, was
vor dem Kriege geschehen ist. Nicht sozialistische, sondern feudale Generale haben den Krieg geführt und sind verantwortlich
für die Niederlage dieses Krieges.
(Sehr wahr! Bei den Sozialdemokraten.)
Nicht republikanische, nicht demokratische, sondern feudale konservative Minister mit Herrn Helfferich zusammen haben die innere
Politik während des Krieges geführt; sie sind für den Zusammenbruch des Deutschen Reiches verantwortlich. Nicht sozialistische.
Nicht republikanische, sondern kaiserliche Feldherren waren es, die mit erhobenen Händen um den Waffenstillstand gefleht haben.
(Stürmische Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)
Der ganze Jammer des Deutschen reiches ist nicht der Jammer der Republik, es ist der Jammer des Kaisertums, der Monarchie, der
uns in dieser Stunde anfasst.
Herr Dr. Helfferich hat den Schatten Bismarcks in seiner Rede beschworen. Er hat auf die Veröffentlichung verwiesen, die
wir alle, die wir politisch interessiert sind, mit großer Aufmerksamkeit lesen. Er hat dabei wieder mancherlei vergessen.
Er hat vergessen, daß es der letzte Kaiser gewesen ist, der diesen Mann in die Wüsten geschickt hat.
(Abgeordneter Dr. Becker: Unter Ihrem Beifall,
Herr Sollmann!)
4S.7944A/B
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- Ich habe damals noch nicht die Möglichkeit gehabt, dazu Beifall zu äußern
(Dr. Becker: Sie wissen genau, wie es gemeint ist.)
Er ist in die Wüste geschickt worden, damit der kaiserliche Operettenheld die wahnwitzige Politik führen konnte, die uns zum August 1914 geführt hat.
(Sehr gut! Bei den Sozialdemokraten.)
Der ganze dritte Band Bismarcks ist doch nichts anderes, als ein einziger großer, auch uns ans Herz packender Zornesaufschrei
gegen die verbrechen, die unter der Regierung Wilhelm II. an dem Deutschen Reich begangen worden sind.
(Sehrt wahr! Bei den Sozialdemokraten. - Zurufe rechts.)
Ich will nur einen Satz aus dem Gedächtnis zitieren. Bismarck sagt in seinem dritten band: Ich fürchte - das schrieb er in den
90er Jahren -, die nächste Generation wird die Fehler auszukosten haben, die jetzt unter der Regierung Wilhelm II. gemacht werden.
(Lebhafte Rufe bei den Sozialdemokraten:
Hört! Hört!)
Diese Prophetie Bismarcks ist erfüllt. Wir sind die Generation, die jetzt das auszukosten hat, was durch die begeisterte Politik,
mit der Sie Wilhelm II, zustimmten, angerichtet worden ist.
(Zuruf bei der Deutschen Volkspartei: Wir? - da kennen Sie uns aber schlecht.)
Geehrte Versammlung! Man kann zweifellos aus einer außenpolitischen Rede Bismarcks mehr lernen als aus allen Reden, die Helfferich
schon gehalten hat und in seinem Leben noch halten wird.
(Sehr wahr! Bei der Deutschen Volkspartei und Zurufe: Lesen Sie nur fleißig diese Reden!)
- Ihr Zuruf zwingt mich, hierauf einzugehen. Wir kennen alle die großen Schwächen der inneren Politik Bismarcks. Gerade dieser Zuruf
zwingt mich, eine weitere Schuld des von Helfferich gefeierten Kaiserreichs hinzuzufügen. Mit die größte geschichtliche Schuld des
Kaiserreichs war es, daß es nicht verstanden zu haben, im deutschen Volker eine tiefe Staatsgesinnung hervorzurufen.
(Sehr richtig! Bei den Sozialdemokraten.)
Sie sind es gewesen - und sind wieder dabei - , die immer eine Scheidewand zwischen "national" und "antinational" errichtet haben.
Sie sind es gewesen, die eine Scheidewand errichtet haben zwischen sich und den anderen sogenannten "vaterlandslosen Gesellen".
Ihre Politik ist es gewesen, die außerdem bis zu dieser Stunde gerade im Rheinland durch den noch nicht vergessenen
Kulturkampf gewisse Instinkte wachgerufen hat, die wir alle im deutschen Interesse zu bedauern haben. Sie haben wahrlich keinen
Grund, das Kaiserreich zurückzurufen! Das Kaiserreich war Deutschlands Unglück und wird auch in Zukunft Deutschlands Unglück sein.
Aber auf den Kampfruf Helfferichs antworten wir: gut, es ist eine Herausforderung. Sie träumen dem Kaiserreich nach und erhoffen es.
Wir erklären Ihnen: mit allen Mitteln werden wir uns dagegen wehren, daß dieses neue Unglück auf Deutschland heraufbeschworen wird,
5S.
6S.
nächste
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