1. Reichstag, Weimarer Republik


Zurück zur Titelseite oder Zurück zur Homepage


Seite 271

A B

Weite Kreise in Deutschland haben in den Jahren seit unserem militärischen Zusammenbruch heftige Furcht vor allem, was nach Überfremdung aussah, bekundet. Sie verkannten, daß Überfremdung in großem Ausmaße unser unabwendbares Schicksal war

(hört! hört! bei der Deutschvölkischen Freiheitspartei)

und das nicht jede Überfremdung an sich für uns schon verhängnisvoll ist, sondern daß es umgekehrt darauf ankommt, sie nach Möglichkeit in ungefährliche Bahnen zu lenken.

(Hört! Hört! bei der Deutschvölkischen Freiheitspartei.)

Da haben Sie diese Weltanschauung! Die Weltanschauung, die darin gipfelt: Wir brauchen gar kein nationales Deutschland, diese ganze Abwehrfront ist eine Gefahr: laßt doch die Fremden und die fremden Milliarden herein, werden wir doch ruhig ein Heloten- und Sklavenvolk, werden wir doch ruhig die Diener der goldenen Internationale! Diese Weltanschauung ist bereits interparteilich geworden. Dagegen bäumen wir uns auf! Alle die Erscheinungen der letzten Zeit, alle die Verbote, all das, was damit zusammenhängt, sind ein einziger großer Plan, das völkische Erwachen Deutschlands, des Deutschen Volkes zu hintertreiben,

(sehr richtig! bei der Deutschvölkischen Freiheitspartei)

es einzulullen, es wieder einzuschläfern, damit es nicht begreift, wo in Wirklichkeit der Feind steht.

(Sehr richtig! bei der Deutschvölkischen Freiheitspartei.)

Nach Pressenachrichten, nach Gerüchten, die an der Börse sind, verlautet, daß der Reichsbankpräsident Havenstein zurückgetreten sei, und zwar infolge der Forderung der Reichsregierung, daß die Goldreserven zur Hebung der Mark hinausgeworfen werden müssen, und nach diesen Börsennachrichten, die ich hier wiedergebe und auf die ich eine Antwort erhoffe, sollen an die Stelle des Herrn Havenstein die Herren Mendelsohn, Warburg, Bleichröder und Loeb treten.

(Hört! Hört! bei der Deutschvölkischen Freiheitspartei.)

Wenn das wirklich der Fall ist, dann wäre das wenigstens ein furchtbares Zeichen dafür, daß wir heute in Deutschland nicht mehr von Deutschen regiert werden, sondern daß die wirklichen Herren, die das Geld und die Macht haben, in der Tat das internationale Judentum sind.

(Sehr richtig! bei der Deutschvölkischen Freiheitspartei)

Und dadurch, daß alle Kreise unseres Volkes zusammenstehen, die wirklich ein Interesse an einer wirklichen Freiheit haben, nicht an der Freiheit des Sklaven, der von seinen Sklavenhaltern einigermaßen ernährt wird, damit er nicht zusammenbricht, damit er arbeiten kann, sondern die Freiheit des deutschen Mannes, der auf deutscher Scholle, auf deutschem Grund und Boden nach deutschen Gesetzen von deutschen Männern regiert wird. Alles klagen und alles Schreien hat heute doch einen üblen Beigeschmack. Ich erinnere an das Wort eines ganz großen Mannes, der einmal gesagt hat: "Damals hättet ihr weinen sollen, als euch die Waffen genommen, die Schiffe verbrannt und die Kriege mit dem Ausland untersagt wurden; das ist die Wunde, an der wir sterben werden". Der das gesagt hat, war Hannibal, ein Mann, der den Untergang einer Großmacht, eines starken Volkes erlebt hat, der


vorige

daran gestorben ist. Die Worte könnten heute gesprochen werden, sie paßten auf den heutigen Tag.

(Sehr wahr! bei der Deutschvölkischen Freiheitspartei.)

Damals hätten wir weinen sollen, als die Schiffe geschmückt von Kiel und Wilhelmshaven nach England geschickt wurden! Damals hätten wir weinen sollen, als man uns die Waffen, die Flugzeuge genommen hat! Jawohl, damals war der Zeitpunkt, wo das deutsche Volk sich aufbäumen sollte, im heiligen Zorn dreinschlagen sollte, daß nicht internationale Mächte ihm das nahmen, woran es gebaut hat in Jahrhunderten: sein Deutsches Reich. Ich fordere die Regierung auf und warne Sie: Verpassen Sie diesen historischen Moment nicht, sorgen Sie dafür, daß alles das, was völkisch ist, was aufbauen will und wird, nicht verprellt wird durch Menschen, die Diener der roten oder der goldenen, auf jeden Fall der jüdischen Internationale sind. Sorgen Sie dafür, daß im Deutschen Reich deutsches Recht gilt!

(Lebhafter Beifall bei der deutschvölkischen Freiheitspartei.)

Vizepräsident Dr. Bell: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wegmann.3

Wegmann, Abgeordneter:3 Meine Damen und Herren! Wenn man den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Wulle auf ihren Inhalt prüft, so müßte man eigentlich sagen: wenn alle Mitglieder der Deutschvölkischen Partei einen solchen Geist beweisen,

(Zuruf von der Deutschvölkischen Freiheitspartei: Dann ständen Sie nicht da!)

dann könnte man es verstehen, daß an alle Ämter Juden kommen.

(Lachen bei der Deutschen Volkspartei und bei den Deutschnationalen.)

Ich glaube, wenn diese Ausführungen in dieser wüßten, leeren Art in einer Volksversammlung der Berliner Metallarbeiter gehalten worden wären, sie hätten ihm eine andere Antwort gegeben.

(lachen und Zurufe rechts.)

Aber es ist ein Beweis dafür, wie man den Reichstag einschätzt, daß man mit solchen Phrasen hier operiert. Aber das Demagogische an der ganzen Art ist, daß man immer wieder darauf hinweist, wie es heute mit der Freiheit bestellt ist, und das man, wie es gerade der Herr Abgeordnete Barth gestern tat, erklärt, die Toleranz, die im preußischen Staate seit 1859 üblich gewesen sei, sei vollständig verschwunden, heute schmachte man unter den Fesseln der sozialistischen Regierung, und wie all diese schönen Phrasen lauten. Ich möchte nur daran erinnern, daß erst heute durch die Presse geht, daß die Gesinnungsfreunde des Herrn Wulle, der sich so von dem edlen Gefühl leiten läßt, der so von Taktgefühl, von Gesittung, von deutschem Recht usw. spricht, - daß diese Gesinnungsfreunde, die in ihren Broschüren Leute wie den Abgeordneten Gothein denunzieren, er sei vom Feinde bestochen, die ihn "Saujuden" usw. nennen, daraufhin von einem deutschen Gericht zu 300 Mark Geldstrafe verurteilt werden,

(hört! hört! bei den Kommunisten)


3S.9736B

nächste