1. Reichstag, Weimarer Republik


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Reichstag. - 32. Sitzung. Montag den 22. November 1920.

Seite 19

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Mir ist mitgeteilt worden, daß selbst eine Flöte aus dem Besitz des Königs Friedrich II. von Preußen auf diese Weise nach Amerika gekommen sein soll, weil dieser Prinz nicht Geld genug bekommen konnte und infolgedessen dazu überging, selbst alte Andenken zu verschleißen. Doch damit genug vom Prinzen Friedrich Leopold von Preußen. 10 Jedenfalls, wer die Namen der Kunden des Bankiers Grußer hört, der sieht, daß es lauter Träger der Ideen des alten Systems sind, lauter Zierden der Monarchie.

(Widerspruch und Zuruf rechts: Und Levy!)

- Ich nehme an, daß der Levy, der in dieser Gesellschaft verkehrt, auch eine Zierde der Monarchie ist. -

(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten, - Lachen und Zurufe rechts.)

Darauf muß ganz besonders hingewiesen werden, weil ja bei jeder Gelegenheit die Herren von der Rechten die deutsche Republik als die "Schieberrepublik" bezeich-nen, und die schwarz-rot-goldene Fahne, das Symbol dieser Republik, als die "Schieberfahne".

(Zurufe rechts: Sklarz!)

Der Herr Abgeordnete v. Graefe ruft mir wiederholt: "Sklarz" zu. 11 Ich möchte deshalb in diesem Zusammenhang sagen, daß ich es allerdings geradezu unerhört finde, wie durch die preußischen Gerichte die Erledigung der Sklarz-Prozesse verschleppt wird, bloß deswegen, damit auch Parteifreunden von mir etwas angehängt werden kann. Man müßte annehmen, daß diese Schiebereien etwas wären, das alle Volkskreise gleichmäßig interessierte. 12 Ich habe zu meinem Bedauern feststellen müssen, daß sowohl von der äußersten Linken Versuche gemacht worden sind, den Tatbestand dadurch zu verschleiern, daß man allerhand Behauptungen aufgestellt hat, die ein schlechtes Licht auf die frühere Regierung werfen sollen.

(Zurufe rechts: Aha!)

Ich stelle fest, daß vielleicht - ich weiß das nicht - einzelne Straftaten bereits in einer Zeit begangen worden sind, in der meine Freunde noch in der Regierung waren. Aber uns ist keiner dieser Fälle bekannt geworden.

(Hört! Hört! bei den Sozialdemokraten.)

Wir wären sonst ganz selbstverständlich eingeschritten. Es ist insbesondere unerhört, wenn ein Blatt wie die "Freiheit" sich erdreistet, bei der Gelegenheit zu schreiben, wir wären Lügner und Heuchler, weil wir diese Interpellation eingebracht hätten.

(Sehr richtig! bei der U.S.P.)

Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kahl. 13

D. Dr. Kahl, Abgeordneter: Meine Herren! Der Zweck der Interpellation ist in Wahrheit ein ganz anderer. Ich bin weit davon entfernt, Ihnen etwa falsche Beweggründe unterstellen zu wollen. Das ist gar nicht nötig. Denn Sie haben selbst die Ziele so auf den


10 S. 1167A
11 S. 1167A
12 S. 1167B
13 S. 1173A
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Leuchter gestellt, daß sie bis auf den letzten Grund zu durchschauen sind. Diese Interpellation ist nichts anderes, als ein Glied in der Kette ihrer gesamten grundsätzlichen Kampfveranstaltungen gegen Adel, Fürstentum, gegen die Hohenzollern, gegen die Monarchie, kurz, wie es vorhin der Begründer der Interpellation zusammengefasst hat: gegen das alte System. Ihr Leibblatt hat ja die erforderlichen Kommentare dazu gegeben: "Schiebungen deutscher Fürsten, Exkronprinzen und Exkronprinzessinnen", so lautete die Überschrift des ersten Kommentars zur Interpellation im "Vorwärts" am 18. November (Abendblatt). Im Morgenblatt vom 19. hieß es: "Die Hohenzollern und ihre Schieber". In der Abendzeitung desselben Tages: "Grußer, Hohenzollern und Co.". Also darauf kommt es Ihnen allein an. Das tritt allbeherrschend überall in allen Auseinandersetzungen der Presse in den Vordergrund. Darauf möchte ich zunächst einmal folgendes ausführen. Selbst wenn der schmerzliche Tatbestand richtig wäre, daß in dem von Ihnen unterstellten Umfang Mitglieder des Hohenzollernhauses beteiligt sind, selbst wenn die schmerzvolle Tatsache dieser Beteiligung erwiesen wäre, so würde das nicht das Hohenzollernhaus und nicht die Monarchie als solche berühren.

(Zuruf von den Sozialdemokraten: Jetzt ist es raus!)

Ich will nicht mit der banalen Selbstverständlichkeit operieren, daß es in jedem Haus und jeder Familie abwegige Glieder geben kann, ohne das man darum das ganze Haus mit Steinen bewerfen muß. Was aber das deutsche Fürstentum und besonders das Haus Hohenzollern betrifft, so erlaube ich mir speziell dem Herrn Begründer der Interpellation mit Rücksicht auf die vielen unehrerbietigen Bemerkungen, die er sich diesem Hause gegenüber schon gestattet hat, zu sagen: was insbesondere das Hohenzollernhaus an Kulturwerten in fünfjahrhundertjähriger Arbeit

(lebhafte Zurufe bei den Sozialdemokraten

und U.S.P.: verwüstet hat!)

nicht nur dem deutschen Volke, sondern der ganzen Welt gegeben hat,

(lebhafter Beifall rechts)

das steht in den Sternen geschrieben

(lebhafter Beifall rechts)

und kann durch Sie nicht verdunkelt werden,

(stürmischer, anhaltender Beifall rechts)

kann auch dadurch nicht verdunkelt werden, daß etwa ein Nachgeborener, den Sie gewaltsam seiner Rechte entkleidet

(sehr richtig! rechts)

und teilweise in Not gebracht haben, (Unruhe und Zurufe bei den Sozialdemokraten und der U.S.P.: Er ist ausgerissen!) sich zu Fehltritten hinreißen ließ.

(Große Unruhe und Zurufe bei den Sozialdemokraten und der U.S.P.: Er ist ausgerissen, der Feigling!)

Das ist nicht etwa zur Entschuldigung Strafwürdiger gesagt; sondern

(Zurufe bei der U.S.P.: Wozu denn?)

- das will ich Ihnen sagen, Frau Zietz, wenn Sie es verstehen - zur Rettung der geschichtlichen Wahrheit!
14 S.1173D

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