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(Lebhafte Zustimmung rechts. - Lachen und
Zurufe links.)
Herr Abgeordneter Müller, Sie haben für die Lage, in der wir heute stehen, den "eroberungssüchtigen
deutschen Militarismus" verantwortlich gemacht.
(Sehr richtig! Bei den Sozialdemokraten.)
Sie haben ihn verantwortlich gemacht für den Ausbruch des Krieges, für die Verlängerung des Krieges und für das Ende des Krieges.
(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)
- Sie sagen "Sehr richtig!". Ich sage, das, was Sie hier gesagt haben, ist das Gegenteil der Wahrheit.
(Lebhafte Zustimmung rechts. - Lachen bei den
Sozialdemokraten.)
Sie brauchen diese Behauptung, um das größte Verbrechen, das in der deutschen Geschichte jemals begangen worden ist, die
Revolution vom 9. November, zu rechtfertigen. Aber es wird Ihnen nichts nützen.
(Stürmische Rufe links: Unverfrorenheit! Unverschämtheit! Mörder! - Andauernde große
Unruhe. - Glocke des Präsidenten.)
Präsident: Ich möchte Sie doch bitten, sich in den Zwischenrufen etwas zu mäßigen.
(Abgeordneter Hoch: Wenn solch ein Verbrecher
dasteht!)
- Herr Abgeordneter Hoch, ich rufe Sie zur Ordnung!
Dr. Helfferich, Abgeordneter: 3 Im deutschen Volke, erfreulicherweise aber auch im Ausland, beginnt die Wahrheit
allmählich zu dämmern, beginnt die Sonne der Wahrheit durch die Wolken und Nebelschleier zu brechen. Aber Sie
(nach links) stellen sich vor die Sonne, damit die Wahrheit nicht hindurchkommt.
(Erneute Zurufe links.)
Meine Damen und Herren! Das kaiserliche Deutschland war die friedlichste Macht der Welt.
(Lachen und Widerspruch links.)
- Wenn Sie mir nicht glauben, dann nehmen Sie Zeugen zur Hand. Nehmen Sie den Fürsten Bismarck, der erklärt hat: Deutschland
ist die einzige Großmacht in Europa, die ihre Ziele auf friedlichem Wege erreichen kann. Hingegen die Nachbarländer
Deutschlands offen oder versteckt Ziele verfolgen, die nur durch Krieg zu verwirklichen sind.
(Fortgesetzte Zurufe links: Wann hat er das gesagt?)
- Das hat Bismarck gesagt. Zweifeln Sie etwa daran?
(Erneute Zwischenrufe links: Wann?)
- In seinen "Gedanken und Erinnerungen" hat er es gesagt.
(Zwischenruf links: Zwanzig Jahre vor dem Krieg.)
In diesem Satze Bismarcks, da liegt die Wurzel des Weltkrieges offen.
(Sehr richtig! rechts.)
Aber, meine Damen und Herren, Herr Müller macht in diesem Augenblick nicht nur den Versuch das kaiserliche Deutschland
für den Krieg und seine Verlängerung verantwortlich zu machen. das ist ihm nicht genug. Er geht weiter. Er belädt auch
das heutige nichtkaiserliche Deutschland mit Schuld und Verantwortung für die Lage, in der wir heute sind.
(Widerspruch links.)
3S. 3432C
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Welchen Sinn soll es denn haben, in diesem Augenblick die Entwaffnungsfrage hier in einer Weise aufzurollen,
wie es heute von Herrn Müller geschehen ist? Wenn Sie hier in der Entwaffnungsfrage Vorwürfe gegen die
Regierung und große Teile des deutschen Volkes erheben, dann tun Sie etwas, was uns nach außen hin nur aufs
schwerste schädigen kann. Sie sprechen von der Entwaffnung des deutschen Volkes. Aber was Sie tun, ist die
Bewaffnung unserer Feinde mit Argumenten.
(Sehr richtig! rechts. - Große Unruhe und lebhafte
Zurufe links.)
Sie gehen ja in Ihren Anschuldigungen gegen die deutsche Regierung noch weit über Lloyd George hinaus bis zur Höhe der
Vernichtungswut eines Briand! Berücksichtigen Sie doch ein wenig den Umstand, daß die Regierung bei der Entwaffnung teilweise
noch über die schauderhaften Verpflichtungen des Versailler Vertrags hinausgegangen ist! Wir hätten die Armierung der Festungen
im Osten und Süden auf dem Stand vom 10. Januar 1921, dem Tag der Ratifizierung des Friedensvertrags belassen könne, aber wir
sind darüber hinausgegangen und haben einen großen Teil der Armierung dieser Festungen ausgeliefert. Selbst Clémenceau war bereit,
uns diese Waffen zu lassen. damit wir uns, wie er sagte, gegen die Gefahr des russischen Bolschewismus zur Wehr setzen könnten.
Meine Damen und Herren! Das muß man sich einmal vor Augen halten. Da muß ich hier gegenüber dem Abgeordneten Müller, einem
früheren deutschen Reichskanzler, den französischen Ministerpräsidenten Clémenceau zitieren!
Meine Damen und Herren! Nach dieser Einleitung, zu der mich die Rede eines früheren deutschen Reichskanzlers gezwungen hat -
sehr gegen meine Absicht -, komme ich zu den Ausführungen, die ich hier zu machen mir ursprünglich vorgenommen hatte. Sie
können überzeugt sein, diese Ausführungen werden getragen sein von dem ganzen Verantwortungsgefühl, daß nach meiner Ansicht
in jedem wach sein sollte, der heute hier spricht.
(Lachen und lebhafte Zurufe links. -
Gegenrufe rechts.)
Meine Freunde gehen nicht blind durch die Welt. Sie verhüllen ihre Augen nicht vor der ungeheuren Schwere der Lage, in der sich
Deutschland befindet., wehrlos, wie es ist - durch wessen Schuld, will ich heute nicht weiter erörtern; die Erörterung liegt nahe,
ich verschiebe sie aber auf ein anderes Mal -, wehrlos einem rachsüchtigen und vernichtungswütigen Gegner preisgegeben, der bewaffnet
ist bis an die Zähne, - das ist die Lage Deutschlands. Und weil wir diese Lage kennen, deswegen sind auch meine Freunde und ich bereit,
Opfer zu bringen, schwere Opfer zu bringen.
(Stürmische Zurufe links.)
- Meine Herren, Sie täten besser daran, Ihre Plätze wieder einzunehmen und mich ruhig anzuhören. das würde der Würde des Hauses mehr
entsprechen, und vielleicht könnten Sie sogar etwas dabei lernen.
(Lebhafte Rufe und Gegenrufe. - Große Unruhe.
Glocke des Präsidenten.)
Präsident: Ich richte diese Mahnung, die Plätze einzunehmen, an alle Damen und Herren.
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